Donnerstag, 27. März 2014

Loretta auf dem Stein

Vielen Dank allen Besuchern am 26.03. bei unserem "Heimspiel" der Autorengruppe Punktum, im Rathaus von Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Es war schön so viel Verzückung über meine Zeilen zu erfahren. 

Beim Frühjahrsputz hatte ich diesen alten Text von 2008 ausgegraben, zum Themenbereich "Frühlingsgefühle". Es ist das längste, und auch letzte Gedicht, das ich gemacht habe (das Eine hat nichts mti dem Anderen zu tun). 
Die mythologische Vorlage sollte erkennbar sein; die Sprache ist eher flapsig - aber ich denke, bei diesem Text muss das so sein ... Los geht's: 














„Loretta auf dem Stein“
Es geschah vor gar nicht allzu langer Zeit,
da war sie wegen sagenhafter Schönheit,
bekannt im großen und ganzen Land,
die Loretta, in stets feinem Gewand.

Die Männer kamen von nah und von fern,
manch einen hatte sie auch gern,
doch auch der musste bald wieder gehen,
schnell konnte sie ihn nicht mehr ausstehen.

Viele junge Männer sind unterwegs zu ihr,
fürchten keinen Tod und Teufel, sind stark wie ein Stier,
und tagelang unterwegs zu ihr, auf dem großen Fluss,
ahnen nichts von dem Schicksal, das sie ereilen muss.

Denn noch sind sie jung und strotzen vor Kraft,
haben im Leben schon viel Schweres geschafft,
wenn sie jetzt die schönste Frau des Landes gewinnen,
wird endlich das große Leben für sie beginnen.

Sie thront hoch oben, auf ihrem kalten Felsen,
genießt den Anblick aus sich verrenkenden Hälsen,
und freut sich schon, ihr Spiel mit ihnen zu spielen,
ein gefährliches Spiel, dem Viele schon zum Opfer fielen.




Auf dem Strom kommt der Sigi um die Ecke,
er hat weder Furcht noch Tadel, ist ein echter Recke.
Doch noch ist er blind und hat keine Ahnung,
ignoriert den hohen Fels – er wäre die erste Warnung.

Noch thront sie hoch oben, kämmt ihr langes Haar,
und der tapfere Sigi, denkt sich: für wahr –
so eine Schönheit habe ich noch nie gesehen;
allein dafür lohnt es sich unterzugehen.

So beginnt er sein Buhlen, um ihre Gunst,
bringt ein Ständchen auf der Laute, noch den Regeln der Kunst,
springt in den Fluss, um gegen die kalten Fluten zu schwimmen,
geht an Land, beginnt den hohen Fels zu erklimmen.

Schon steht er vor ihr, möchte sie berühren,
doch sie lässt sich erst – zum essen ausführen.
Sigi muss Manieren und guten Stil beweisen,
in einem noblen Haus, bei feinen Speisen.

Denn dabei kann man sehr viel falsch machen,
die Kritik an ihm: findet er nicht zum lachen.
Loretta erweist sich als launische Zicke,
nörgelt und beschimpft ihn ziemlich dicke.

Wäre da nicht ihre bezaubernde Schönheit,
er wäre zu keinen weiteren Schritten bereit,
doch sie will ihm noch mal großherzig verzeihen,
er darf sich in die Schar ihrer Verehrer einreihen.

Er weiß nicht recht – soll er sich freuen?
Oder wird er diese Eroberung schon bald bereuen?
Doch erst muss er sich neu einkleiden,
Loretta ist mit Ansprüchen nicht gerade bescheiden.

Sie genießt es, ihn zu verändern und zu formen,
gefällt sich als schöne Rose mit vielen Dornen,
sie mag es, wenn sich alles nach ihren Wünschen gestaltet,
sich außer ihr kein anderer mehr entfaltet.

Der Sigi aber verkümmert immer mehr und leidet,
merkt wie sie sich an seiner Schwäche weidet,
und nach zwei Wochen endloser Diskussion,
überdenkt er seine neugewonnene Position.

Er hat die schönste Frau des Landes zur Seite,
doch sie ist eine zur Gewalt Bereite.
Über ihre ständig wechselnden Launen,
kommt er nicht mehr aus dem Staunen.

Er kann sich hier nicht weiter entfalten,
in dieser schlechten Stimmung, der eiskalten,
ihm fehlt nun alles, das ihm Freude schafft,
ihm zu Wachstum hilft – und zu neuer Kraft.

So denkt er sich, das wird ihm zu blöde,
immer der Dumme sein, ist ihm zu öde,
wenn das so weiterläuft, geht er vor die Hunde,
also tritt er zu ihr, in die letzte Runde.

Doch Loretta hat es längst schon gemerkt,
kommt ihm zuvor und hat ihren Tonfall verstärkt:
du bist zu mir nur böse und gemein,
mit dir kann ich nicht länger sein!

Erleichtert steigt er den Fels hinunter,
fühlt sich unten angekommen wieder munter,
betrachtet all die Boote, die hier strandeten,
Fußspuren, Pläne und Hoffnungen, die hier versandeten.




Albin ist der nächste, der sich zu ihr müht,
seine Ankunft kommt für sie verfrüht,
sie arbeitet noch an ihrer schönen Fassade,
doch er fährt ihr in die Parade.

Nach deinen Vorstellungen willst du alles gestalten,
beginnt er seine Rede ungehalten;
einem Schiffsfriedhof gleicht nun deine Welt,
in der es dir selbst nicht mehr gefällt.

Ich will nichts von dir, dafür bin ich zu alt,
zwar wirkst du schön, mit deiner Gestalt,
doch dein Herz gleicht einer Gefriertruhe,
du erschaffst dir keine Herrschaft, sondern Grabesruhe.

Du magst dich selbst jeden Tag weniger,
wirst nur eitler, leerer und spleeniger,
versteckst dich hinter Stoffen und Düften, edlen und süßen,
doch für deine Leere lässt du andere büßen.

Du suchst ständig nach neuen Feindbildern,
doch ein Sieg kann deine Not nicht lindern.
Das Spiel beginnt wieder von vorne,
brauchst neue Ziele für deinen Zorne.

Du solltest bei dir selbst beginnen,
ein gesundes Selbstgefühl zu gewinnen;
schließ erst mit dir selbst wieder Frieden,
dann ist dir auch mehr Freude im Leben beschieden.

Denn sieh hinab auf das Trümmerfeld,
über dem du thronst – es ist deine Welt,
du hast sie dir erschaffen, aus Arroganz und Eitelkeit,
doch wer ist in ihr zu leben bereit?

Weh mir!, klagt nun die schöne Frau,
nach dieser erkenntnisreichen Schau.
Mein Werk ist dieser Trümmerhaufen,
alle feschen Männer sind mir weggelaufen.

Die von mir begangenen Grausamkeiten,
lassen sich nicht mehr abstreiten,
die Folgen sind sichtbar, es ist zu spät,
mir hilft keine Kur mehr, und keine Diät.

Vom Felsen stürzt sich nun die Schöne,
die Sehnsucht vieler guter Leute Söhne,
Albins Einspruch bleibt ungehört,
was ihn sichtlich und nachhaltig verstört.

Zur Einsicht war Loretta nicht bereit,
daran hinderte sie ihre Eitelkeit.
Vernunft auf der Welt bleibt weiter unerreicht,
ihren leblosen Körper zu entsorgen – ist dagegen leicht.


Sonntag, 23. März 2014

Rezension: Clemens Meyer, Als wir träumten

Rezension: Clemens Meyer, "Als wir träumten"

  
Nein, es geht nicht um Traumdeutung, ist auch kein verklärter Rückblick. Leipzig, Wendezeit, Heranwachsende; Kleinkriminalität, Tekkno-Parties in einer alten Fabrik, Schlägereien. Man muss dieses Mileau nicht mögen, aber es erleichtert die Sache.

Es beginnt mit einem Rückblick auf die Schulzeit in der DDR. Dann folgen zahlreiche zeitliche Sprünge vor und zurück.
Doch jedes Kapitel -und das ist wirklich der Clou- erzählt eine in sich geschlossende Kurzgeschichte, einen Aspekt aus dieser Zeit. Man kann sie alleine lesen und stehen lassen. Doch alle diese Geschichten zusammen entwerfen ein großes, natürlich subjektives, Bild dieser Zeit. Werfen Fragen auf, lösen sie später. „Warum bist du nur so?“, die Frage der Mutter, ist roter Faden. Das „Warum“ wird aber nicht gelöst, nur gründlich beleuchtet.

Ob Abende im Keller einer dunklen, zerfallenden Wohngegend; ob nachmittags im Stadion, Spritztouren mit geknackten Autos, Ladendiebstahl ohne besonderen Grund, Selbstmitleid am Tresen - Meyer schildert gekonnt die jeweilige Stimmung. So auch die Resignation des Vaters ob der vielen Änderungen, was die Jungs natürlich noch nicht verstehen. 

Plötzlich sind über 400 Seiten vorüber, lassen einen staunend zurück, in einem Kaleidoskop dieser Zeit und der Gefühlswelt junger Männer. Die Bilder hallen noch lange nach.
Allein die Erzählweise, geschlossene Geschichten zu einem Netz zu knüpfen, Antworten zu liefern, auf Fragen die erst später gestellt werden, ohne die drängendsten Fragen freilich zu lösen - eben wie im richtigen Leben - in den Raum zu stellen und umfassend zu beleuchten, allein diese aufwändige und genial gelöste Erzählweise, macht es zu meinem absoluten Lieblingsbuch.

Dass Leipzig meine Lieblingsstadt ist, und Einflüsse der Wendezeit bis heute nachwirken, dafür kann Clemens Meyer nichts.



Fischer Verlag
ISBN: 978-3596173051