Sonntag, 30. November 2014

Bonusmaterial und Teaser zu "Wildnis Nr. 50"


Herzlich willkommen in der Wildnis – nicht fern, und doch weit weg. 

Diese Zeilen schreibe ich im Spätherbst – bei Nebel und Kühle. Wer möchte jetzt im Wald herumlaufen und durchs Unterholz robben, um unentdeckt Jagdbeute zum Haus zu bringen, in dem es obendrein weder Strom noch warmes Leitungswasser gibt? 

Peter und "der Ich" sind freiwillig dort geblieben. Wie es dazu kam, erzählt der Roman "Wildnis Nr. 50". Zur Beruhigung: er spielt im Sommer. 

Es ist mein 2. Roman. Hier gibt es den Klappentext und das eBüchlein:
http://www.amazon.de/Wildnis-Nr-50-Robert-K%C3%B6nigshausen-ebook/dp/B00KMOO1H2/ref=sr_1_10?s=digital-text&ie=UTF8&qid=1417362359&sr=1-10


Als Bonusmaterial dazu habe ich mir diese Episode aus dem Herbst ausgedacht. Sie trägt nichts zur Handlung bei – es ist ein freies Spiel mit dem Thema. 

Ihr seht schon: bei den Recherchen hatte ich den Ruf der Wildnis vernommen – und gerade noch rechtzeitig den Sprung zurück in die Zivilisation geschafft. 

Eingerahmt wird der Text von sommerlichen Fotos, als kleiner Ausgleich. 

Doch nun auf zu diesem verwegenen Abenteuer. Ich wünsche viel Vergnügen mit dem kleinen Bonustext! 














„Wilderer, männlich, im Wald“

Gut erhalten lagen die beiden Kitze vor uns. Kein Wunder, wir hatten sie erst gestern geschossen und im Gang hinter dem Wasserfall versteckt. Wanderer mussten gestern die Polizei über unsere Schüsse informiert haben, denn sie kreiste den ganzen Tag herum. Auch der Förster war unterwegs. Durch den Uralt-Trick „Flinten und Tiere verstecken, erst Tage später heimbringen“, konnten sie uns nichts anhaben. Das war gestern im Morgengrauen gewesen, der besten Zeit für die Jagd.
Auch jetzt war nicht helllichter Tag, es mochte so zwischen vier und fünf am Nachmittag sein. Wir wollten das Zwielicht nutzen, um unsere Beute unentdeckt heimzubringen.


Das Leben hier in den Bergen, mit möglichst wenig Rückgriff auf die Zivilisation, war wesentlich schwieriger als wir dachten. Hias schlug vor, ein bis zwei Rehe zu wildern, um durch den Herbst zu kommen. Es war Anfang November, kühles Regenwetter zog über die Berge, und nachts wurde es empfindlich kühl.
Spätherbst war Jagdzeit, und Hias schlug vor, dünne Jungtiere zu schießen, da sie schlechte Überlebenschancen im Winter hätten, und Jäger sie nicht vermissen würden. Und wenn wir das schlechte Wetter für den Transport nutzten, kamen uns auch kaum Wanderer in die Quere. Der Förster würde mit seinem Auto den Wald abfahren, hätte keine Lust auszusteigen. Ab durch die Mitte – das war sein Plan. Er war einfach gerissen!

Für zusätzlichen Nervenkitzel veranstalteten wir ein Wettrennen. Hias und Apollonia bildeten das eine Team, Peter und ich das andere. Wir nannten sie „Team Geister“ und „Team Jungs“. Die Verlierer mussten nach der Metzgerarbeit die Abfälle entsorgen, was laut Hias ein „ziemlicher Scheiß“ sei.
Wir wickelten jedes Kitz in ein Tuch, das es verbarg, und das Tragen erleichterte. „Team Geister“ bekam das Bockkitz, das der Hias erlegt hatte. „Des erkennst am Krickl“, murmelte er, und deutete auf das kleine Geweih, das eigentlich nur aus kleinen Stangen auf seinem Kopf bestand.
Jedes Tier wog ungefähr 15 kg. Die Gehzeit auf dem Weg betrug 15 bis 20 Minuten, durchs Gelände mindestens doppelt so lang. Der Sprühregen war allgegenwärtig, Polizei und Förster konnten uns plötzlich über den Weg laufen. Beste Voraussetzungen für ein „lustiges Geländespiel XXL“, wie Peter es nannte.

Jockel musste zuhause bleiben, er galt als parteiisch. Frank wollte mit ihm im Haus bleiben, das Feuer warm halten, und sich danach mit Jockel der Metzgerarbeit widmen. Er hielt uns für „Wahnsinnsknaben“, und hatte damit recht – wie immer.

Die Kitze waren eingewickelt. Hias warf seins über seine Schultern, wir probierten noch. Man konnte es unter dem Arm tragen, auf der Schulter, oder zu zweit. Nach kurzer Beratung trugen wir es zu zweit, nebeneinander her gehend. In schwierigem Gelände würde es einer allein nehmen.
„Auf drei!“ Apollonia zählte ruhig, dann ging es los!

„Team Geister“ marschierte los, auf dem Trampelpfad, geradewegs zum neuen Forstweg, und der Brücke über den Bach, wo der Legende nach ein Wilderer zu Tode gestürzt war.
„Die haben Nerven“, murmelte Peter. Auch ich wunderte mich, warum sie ausgerechnet dorthin steuerten.
Wir hatten uns für den bewährten Weg entschieden. Peter stürzte sich todesmutig den steilen Pfad hinab, in den Kessel. Vorsichtig ließ ich unser Reh hinab gleiten, er fing es unten auf, und ich stolperte hinterher. Der Sprühregen hatte den Weg in eine Rutschpiste verwandelt. Mit wenigen Schrammen rappelten wir uns auf, hatten mehr Glück als Verstand gehabt. Vor uns war das Becken, in das der Wasserfall hinein stürzte. Nach diesem Becken war der Bach normalerweise seicht, viele große Steine erleichterten die Überquerung. Doch die ungebändigte Kraft des Wassers hatte die Steine durcheinander gekullert, eine elegante Überquerung schien ausgeschlossen. Wir gafften in den Bach und überlegten.
„Also?“
„Also!“
Schuhe und Hosen trugen wir mit dem Reh, und los ging es! Das Wasser reichte uns bald zu den Knien, und es war kalt. In der Mitte des Bachs fluchte ich vor mich hin, da die Kälte mich durchdrang, und ich meine Zehen nicht mehr spürte. Die Strömung trug das ihre bei, mit jedem Schritt mussten wir gegen sie angehen. Da half nur Zähne zusammenbeissen, alles ignorieren und tapfer weiter voran stapfen. Zuhause gab es einen Schnaps und heißen Tee zur Belohnung – darauf freute ich mich. Was war das für eine Erlösung, als uns das Wasser nur noch zu den Knöcheln reichte! Notdürftig rubbelten wir uns trocken und zogen uns an. Es tat gut, die Kälte des Wassers nicht mehr direkt auf der Haut zu haben.
Beim Erklimmen des Hügels auf der anderen Seite wurde uns wieder warm. Ein Zehntel des Wegs war schon geschafft.
Bequem ging es dann auf einer Trasse weiter, dem alten Forstweg. Flink und beinahe lautlos tippelten wir dahin. Unsere Augen und Ohren hatten wir überall, nahmen jeden Vogel und jedes Eichhörnchen wahr. Die Bäume waren hoch, der Boden kahl, man konnte weit sehen – und gesehen werden.

Zeitgleich stoppten wir. Da hinten huschte etwas. Wie der Kopf eines Wanderers, der dann verschwand. Außerdem kam ein neues Geräusch hinzu, das Brummen eines Motors. Der Fall war klar. Wir sahen uns um, und einigten uns auf die Furche, in der ein kleiner Sturzbach hinab ins Gebüsch führte.

Die Füße immer schön quer stellen, ein bisschen im Zickzack laufen, um die Hangabtriebskraft besser abzufangen und nicht über die eigenen Füße zu stolpern! Auf Äste und Blätter achten, um nicht zu viele Geräusche zu machen, oder gar wegzurutschen. Wir hatten viel gelernt, seit wir hier oben lebten.
Fast lautlos tauchten wir ins Unterholz. Zwischen Faulbaum und Haselstauden verschwanden wir, nutzten das Große Hexenkraut zur Tarnung. Vier bis fünf Stauden von ihm, zwei kleine Äste, und das Kitz war versteckt. Wir beide legten uns flach auf den Boden. Unsere Flachs -und Loden-Klamotten trugen das Übrige zur Tarnung bei. Natürlich wurden sie feucht und schmutzig, aber dazu hatten wir sie. In der Hocke wären wir zu hoch, das Gesicht würde unter dem Hut hervorscheinen, jeder Jäger würde uns entdecken. Immerhin verbrachten Jäger und Förster schon mehr Jahre im Wald als wir. Auf die Idee, dass wir uns in den Dreck legen, kamen sie hoffentlich nicht. Wir hatten den besseren Lehrer, und waren einfach gerissener!
Den Förster durften wir nicht unterschätzen. Er lief bei Dauernieselregen im Wald herum, im Dämmerlicht, um uns zu suchen. Wusste er, dass wir das schlechte Wetter nutzen wollten? War er genau deswegen unterwegs? Und wie schätzte er uns ein? Kam er auf dem alten Forstweg vorbei, der jetzt etwa zwanzig Meter über uns lag? Wie viel Zeit gaben wir ihm dafür? Eine Stunde, zwei? Wir waren voll in die Falle gelaufen, und mussten einen Ausweg finden. Der Vorteil aus Wetter und Tageszeit wandelte sich zu einem Riesennachteil für uns.

Ich sog die kühle Luft ein, die angenehm nach Wald, Regen, Kühle, Nebel, feuchter Luft und Erde roch. Sie beruhigte mich. Der Wald bot genug von allem, man musste es nur nutzen. Auch Peter sah gutgelaunt drein.
Leichte Nebelwolken hingen in den Baumkronen, manche dehnten sich aus, und krochen in die Senken. Jeder Felsen und jeder Baumstamm bekam eine magische Aura. Ich fand es gemütlich, aber wir hatten da noch eine Aufgabe zu erledigen.
Peter traute sich zuerst ein paar Worte zu flüstern: „Ich tippe er kommt von da.“ Er zeigte auf die Senke mit dem Unterholz, in Richtung unseres Hauses.
„Glaub ich auch.“
Wer gerissen genug ist, uns jetzt zu suchen, ist auch schlau genug, das Unterholz zu durchkämmen.
Da ein Auto den Forstweg absuchte, machte es keinen Sinn für ihn, dort zu laufen. Im Klartext: den Weg durchs Unterholz heimzulaufen, war die Falle, in die wir tappen sollten.
Auf den alten Forstweg zurückzukehren, wäre der größte Fehler. Der Förster im Unterholz würde uns sehen. Blieb nur eine Lösung:
„Über den Neuen Forstweg!“, schlug ich vor.
„Unter ihm durch!“, konterte Peter.
Der Neue Forstweg lag tiefer, und jenseits gab es Gebüsch und jungen Wald, um unentdeckt heimzukommen. Wir mussten nur die Seite wechseln – das war der Schwachpunkt.

Das Gestrüpp zog sich bis zum neuen Forstweg, die Rinne für den Sturzbach lief daneben. Leise und vorsichtig krochen wir im Unterholz bergab, auf allen Vieren, oder geduckt, jede Deckung ausnutzend, das Kitz zogen wir hinterher. Gelegentlich brachten wir Pflanzen zum Wackeln, oder traten auf Stöckchen. Der Wind kompensierte das hoffentlich, nur leider wehte er unsere Geräusche in Richtung des Försters. Uns blieb keine Wahl. Wir arbeiteten uns vor zum Forstweg, der auf einer aufgeschütteten Trasse über unsere Köpfe hinweg führte. Fünf Meter seitlich führte ein großes Blechrohr unter ihm hindurch, damit Sturzbäche hier durchlaufen konnten.
Die Lage schien ruhig, ich packte mir das Reh unter den Arm, wir trabten los. Etwa fünf Meter ging es durch lichten Wald, der nur aus hohen Bäumen bestand, bis wir in das Rohr kamen. Dort plätscherte der Sturzbach dahin. Breitbeinig staksten wir hindurch, spreizten uns ein. An den Rändern der verschiedenen Wasserstände hatte sich grüner und glitschiger Belag gebildet. Er war nicht nur eklig, sondern vor allem gefährlich.
Es roch ziemlich muffig, aber dafür kam der Regen nicht rein. Ab und an rutschte ich ab, und meine feuchten Schuhe wurden nass. Wir mussten gebückt gehen, hatten den fauligen Belag also dauernd vor Augen und in der Nase. Auf dem Metall des Rohrs wucherte der Schlick, kein Waldboden sog ihn ein. Das war für mich der Tiefpunkt, meine Laune war am Kippen, ich freute mich nur noch auf ein warmes Bad in der Wanne  auch wenn ich dazu erst stundenlang den Herd schüren und Wasser kochen musste.
    Das Rohr war durchquert, und die „Schnitzeljagd“ ging weiter. Peter packte sich das Kitz auf die Schultern, zügig trabten wir den waldigen Hügel hinab, zum nächsten Unterholz. Bevor wir dort abtauchten, sahen wir uns um. Niemand war zu sehen.
Der Plan war klar: im Schutz des Dickichts marschieren, den Bach überqueren, und kurz vor unserem Haus Bach und Forstweg nochmals überqueren. Die Schwierigkeit war, dass Bach und Forstweg im Endspurt parallel liefen, man vom Weg einen guten Blick auf den Bach hatte. Das mussten wir riskieren.

Es fühlte sich gut an. Kühler Wind und Feuchtigkeit im Gesicht, von Nebel eingehüllter Bergwald, während Dämmerung das Land versteckte, der frische Geruch diverser Moose, Farne und Bäume – und ein gewildertes Rehkitz im Gepäck. Dazu ein Förster und die Polizei, die nach uns suchen. Das war ungetrübte Wildererromantik!

Mit kraftvoller Anmut rauschte klares Wasser den Bach hinunter, schlug schäumend gegen Felsen, lief keck daran vorbei, oder spritzte in die Höhe.
Moos überzog einen umgestürzten Baum, Pilze wuchsen darauf empor. Wir staksten durch die „Grüne Hölle“, und staunten über ihre Üppigkeit. Die meisten Pflanzen kannten wir mittlerweile: Wald-Ziest, Roter Hartriegel, Hohlzahn, Liguster. Der Geruch von Pilzen lag in der feuchten Luft. Blätter strichen uns über die Schienbeine, vermooste Felsen säumten unseren Weg, ich fühlte mich heimelig und stark.

Weit konnte es nicht mehr sein. Ein letzter Hügel stand uns im Weg. Der Aufstieg war steil und anstrengend, die Bäume standen eng, pieksten und kratzten uns gebührend, doch wir hatten das Ziel schon vor Augen. Zur Linken stand ein Fels, der senkrecht in den Bach abfiel. Und das Haus konnten wir schon sehen!
Wir machten uns an den Abstieg, als Peter mir mit einer Geste deutete, dass ich zurückbleiben solle, und sich leise auf den Hosenboden setzte. Ich tat es ihm gleich, lugte über den Hügel, sah das flache Stück voll mit Wedeln des Königsfarns, die seichte Furt durch den Bach, den Forstweg, der vor dem Haus vorbeiführte, und darauf ein Auto der Polizei. Oh nein!
Noch schienen sie uns nicht zu sehen, aber sie bewegten sich auch nicht. Wie kamen wir jetzt unentdeckt über den Weg? Überhaupt nicht. Fieberhaft überlegten wir. Es gab nur eine Möglichkeit, da waren wir uns einig. Doch wie setzten wir sie um?
„Ich sehe harmloser aus“, meinte Peter.
Ich gab ihm recht, und hatte meine Nase schon im Wind. Es kam mir vor, als könne ich die Beamten riechen, wie ein wildes Tier. Also schnappte ich mir das Kitz und schlich los. „Der Waldkauz“, gab ich das Erkennungszeichen aus.

Der Abstieg war genauso unangenehm, abermals pieksten und kratzten mich die dürren Äste der engstehenden Bäume. Keine Ahnung ob ich irgendwo blutete.
Den Bach zu überqueren, war so eine Sache. Ich schritt und hüpfte von einem großen Stein zum nächsten, doch ab der Mitte des Bachs war es vorbei. Das Gewicht des Kitzes hielt mich zurück, feuchte Steine ließen mich abgleiten, damit gab ich es auf. Mit der Gewissheit bald daheim zu sein, stieg ich ins Wasser und watete durch, das Kitz auf dem Kopf balancierend. Notdürftig wrang ich meine Hose aus, machte das Geräusch eines Waldkauzes und hielt mich startklar.

Es dauerte etwas, dann kam Peter über den Forstweg geschlendert, direkt vor dem Polizeiauto, er wendete, und wollte hinten am Wagen vorbei. Umgehend stiegen die Beamten aus, hielten ihn auf. Es war dieser kurze Moment, als sie ausstiegen und nach hinten gingen. Genau das war mein Moment! Mit vier großen Schritten war ich über den Weg gesaust! Ich duckte mich ins Gebüsch, sah sie in meine Richtung schauen, und dann wieder im Gespräch mit Peter.
Jetzt musste ich schnell sein! Die Bäume standen auch hier eng, dürre Äste standen überall im Weg, es war düster. Dafür hatte ich guten Sichtschutz, und kam so bis ans Haus. Ich beschloss rückwärts zu gehen, damit mir nicht andauernd das Gesicht zerkratzt wurde. Die Passage konnte nicht viel länger als drei Minuten dauern, war eintönig und anstrengend. Einmal fiel ich sogar hin. Irgendjemand hatte vor Jahren das Drahtgestell einer alten Matratze im Wald vergraben, aber nicht tief. Ich kannte die Stelle, sie stellte eine viereckige Erhöhung im Boden dar, bei dieser Sicht dachte ich nur nicht daran.

Die Stimmen wurden lauter und deutlicher, die Beamten begleiteten Peter bis zur Haustür. Ich wartete im Wald ab, bis sie vor der Tür standen, lud mir das Kitz auf die Schultern, das auf einmal ganz schön schwer war, und stakste langsam durch die Brennnesseln.
Durch das offene Fenster zum Toilettenraum hörte ich die eifrige Diskussion mit den Beamten. Peter und Frank verlangten immer wieder einen Durchsuchungsbefehl und wimmelten die Beamten ab. Es gäbe Zeugen, wir sollten den Wilddiebstahl zugeben. Danke, kein Interesse.

Ich wartete ab, bis die Polizisten wirklich verschwunden waren, dann stieg ich durch das offene Fenster ein. Stolz schritt ich in die Küche, präsentierte das Kitz. Jockel, Apollonia und der Hias bekamen sich kaum noch ein vor dreckigem Gelächter.
„Für an Stadterer nit schlecht“, meinte Apollonia diplomatisch.
Der Hias war direkter: „Drei moi so lang wia mir! Nit schlecht!“
„Es gab ... Schwierigkeiten ...“, erklärte ich. „Der Förster kam uns entgegen, Polizei war unterwegs ...“
„Isch klar.“
„Wie seid ihr denn gegangen? Kamen sie euch nicht über den Weg?“
„Mir san glei übern Bach“, erklärte der Hias. „Da geht ma oiwei in der Niederung, neba dem Bach her, im Unterhoiz. Der Förster patrouilliert aber oben, aufm oiden Forstweg. Er moant, von da oben siggt ma ois. So war des scho immer! Genau desweg‘n geh‘n mir oiwei da unten durch. Und es is‘ da direkte Weg.“
Abermals lachten alle, aber nicht mehr so laut.
„Wo ihr los seids“, fügte der Hias an, „is uns klar g‘wen, dass ihr da oben laufts, und dass die alle auf eich los genga. Also war für uns der Weg frei! So einfach is‘ des vor 100 Joar nia g‘wen!“







Sonntag, 9. November 2014

Leseprobe: Wald- und Wiesengeschichten

Leseprobe: Wald- und Wiesengeschichten


1


„Hops“ und „Happs“ denkt sich der Fuchs, als er auf das für ihn leckere Kaninchen zuspringt. Doch was passiert jetzt? Etwas Großes, Lautes und Leuchtendes kommt ratternd näher, ein Ungetüm – und es hält direkt auf ihn zu. Er wendet, lässt das Kaninchen sausen, und flüchtet sich zurück ins Unterholz. Das Wesen, oder Ding, kam erstaunlich schnell. Über das steinige, ebene Band, das sich durch den Wald zieht, hatte er sich oft genug gewundert, sich aber weiter keine Gedanken gemacht. „Hier kommt doch nie was!“, zweifelt er. Und dann kracht dieses Ungetüm auch noch in einen der Bäume.

„Um Himmels Willen“, schreit der Fahrer des 38er Aston. „Der Kotflügel hat einen Totalschaden! So einen bekomme ich nie wieder! Mein schönes Auto!“ Seine weiteren Flüche drehen sich um Wertminderung, und um Wildtiere im Allgemeinen. Einmal im Jahr, im Frühsommer, holt er den Wagen aus seiner Garage, um an der traditionellen Oldtimer-Rally teilzunehmen. „Hier kam noch nie ein Tier!“, schimpft er und tritt wütend in den Baum.

„Muss das sein, du Chaot!“, krächzen die Eichelhäher, als sie in panischer Angst auffliegen, und zusehen müssen, wie ihr halbes Nest herunterrieselt, der Baum knickt und gefährlich schief stehenbleibt. „Den können wir vergessen!“ „Wohin sollen wir nur?“ „Wir müssen brüten!“ „So viel Arbeit umsonst!“ „Hier können wir nicht bleiben!“ „Wo sollen wir hin?“ „Wir müssen los, wir müssen los!“ „Es ist schon so spät im Jahr!“ „Wir müssen brüten!“ „Auf gehts, auf gehts!“ „Ob wir den Verlust jemals aufholen?“ „Wir müssen los, wir müssen los!“


2
Aufgeregt flattert das Eichelhäherpaar auf, umrundet seinen alten Baum. Dieser beginnt, weder für unsere Augen, noch für Vogelaugen wahrnehmbar, seine Äste neu auszurichten, um mit seiner Schieflage weiterleben zu können.

Das gefiederte Paar flattert hektisch von Baum zu Baum, auf der Suche nach einem neuen Nistplatz. Nicht jeder Baum kommt dafür infrage – zu klein, zu dünn, zu nah am Wohnort gefährlicher Tiere, oder bereits von anderen Paaren bewohnt. „Hier ist kein Platz mehr!“, heißt es allerorten, „Hier ist kein Platz mehr für euch!“

Immer tiefer fliegen sie in den Wald, der voller ungeeigneter Bäume ist. „Einer muss doch für uns dabei sein!“ Nur leider entwickeln Nadelbäume im Wald keine ausladenden Äste; sie schießen nach oben, um dort an Sonnenlicht zu kommen. Das Unterholz fällt karg aus, bietet sich genau so wenig zum nisten an.
Nach einer Ewigkeit des Fliegens und Suchens, als sie dabei sind, die Hoffnung zu verlieren, entdecken sie eine Lichtung. Freudig erregt flattern sie im Kreis um sich selbst und frohlocken. Zwischen Fichten stehen Buchen und Kastanien, deren ausladende Äste über die Wiese hängen. „Hier finden wir einen Platz!“ Emsig begutachten sie jeden Baum an der Lichtung, sitzen Probe, piepsen eifrig.
Nachdem jeder Ast besichtigt ist, wählen sie einen Lieblingsplatz. Sie sind begeistert von ihrer Platzwahl, fangen sofort an Kleinholz vom Waldboden zu picken und ein neues Nest zu bauen. Für eine Nachbrut ist es noch nicht zu spät!
Nicht jeder Bewohner ist darüber erfreut, am wenigsten das Eichhörnchen. 



Fortsetzung hier: 
http://www.amazon.de/Wald--Wiesengeschichten-Robert-K%C3%B6nigshausen-ebook/dp/B00PDL4E8K/ref=sr_1_1?s=digital-text&ie=UTF8&qid=1415555532&sr=1-1


Und Teil 2 des Büchleins spielt sich mit der Frage, wie die Tierreliefs aufs Schloss kamen, und was die Gechichten hinter der Geschichte sind. 




1
Die Wildsau


Endlich gings los zur Jagd! Im Jahr des Herrn 1601, einem außergewöhnlich kühlen Jahr, in einer ohnehin kühlen Zeit, das den Bewohnern von Schloss Döswald lange in Erinnerung bleiben sollte, ließ Ritter Eckbert von Döswald zur Jagd blasen.
Schon preschten all seine kühnen Recken, vier an der Zahl, auf ihren Pferden in den Wald, immer den Hunden folgend, die ihrerseits wiederum ihrer Fährte folgten. Es störte die kühnen Recken nicht, dass die Hunde mal kreuz, mal quer liefen. Die Spuren einer Wildschweinrotte waren kurz zu sehen, den Rest würden die Hunde schon finden. 



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