Sonntag, 21. August 2011

Ode an das Alter



Nur noch 29 Jahre bis zur Rente! Ich freue mich schon.
Wobei Rente nur der Zustand ist, wenn man aus dem Arbeitsleben verabschiedet wird. Zahlungen wie heute wird es in 29 Jahren nicht mehr geben. Also ist mir auch die aktuelle Debatte egal. Ob ich mit 67 keine Rente mehr bekomme, oder mit 70, ist mir egal. Da ich keine Zusatzrentenversicherung abgeschlossen habe, komme ich zumindest an mein eigenes Geld noch ran.

Ich wohne in einem Wohnwagen, in Südspanien, in einer deutschen Rentnerkolonie. In der Früh stehe ich auf, wie heute, dusche und frühstücke. Doch danach muss ich nicht gleich in die Arbeit, sondern kann tun was mir gefällt.

Als Rentner fange ich auch endlich an, das zu tun, war ich schon immer tun wollte, aber nie die Zeit dazu fand. Viele fangen mit der Rente an, künstlerisch aktiv zu werden oder die Welt zu bereisen. Aber das tue ich jetzt schon.
Als Rentner laufe ich als Punk herum. Wenn ein alter Mann das macht, fliegen ihm die Sympathien entgegen. Wenn ich das jetzt mache, ernte ich nur Unverständnis.
Außerdem prügle ich mich endlich. Mit der einen Krücke klopfe ich beim Nachbarn an die Tür, fordere ihn zum täglichen Zweikampf, mit den Worten: „Krause, komm raus, wir schlagen uns!“
Denn Rentner sind senil und bekommen Altersstarrsinn, ihnen kann man einfach nicht böse sein. Für mich ist das der Freibrief.
Im Restaurant bestelle ich den Kinderteller, erkläre ausführlich, dass „Seniorenteller“ eine Diskriminierung darstellt und ich nicht alt bin, sondern lediglich von der Industrie ausgemustert.
Danach beobachte ich die Nachbarschaft, weise Falschparker zurecht und informiere die Polizei, wenn nötig.
Oder ich sitze beim Arzt im Wartezimmer. Dort bin ich 2x die Woche. Immerhin bin ich schon gebrechlich. Dort treffe ich Bekannte, zu einem netten Plausch. Und dann bin ich es endlich, der die Jungen schief anschaut, sich fragt was sie hier wollen, kreidebleich und fröstelnd, in unserer netten Runde. Hach, das wird eine schöne Zeit.

Wenn ich abends zuhause sitze und die Füße hochlege, werfe ich die Nebelmaschine an und höre lautstark Musik. Die Schwerhörigkeit ist nur vorgeschoben, in Wahrheit will ich den Rumms der Musik spüren - so wie früher. Denn früher war alles besser, vor allem die Musik. Die Jungen hören nur noch schmalzige Popmusik, keine düsteren oder aggressiven Töne mehr. Das reibe ich ihnen regelmäßig hin.

Warum sollte ich mich anders verhalten, als die heutigen Senioren? Schließlich sind es die schönsten Jahre des Lebens - und die will man sich nicht verderben lassen.


Bemerkung: diese Kolumne war mein Beitrag zum Thema "Das Alter", als "Hausaufgabe" für die Autorengruppe PunktUm und hat mir viel Spaß gemacht. Der Text wirkt vielleicht noch etwas roh, hat so aber eine besonderen Charme, wie ich finde.
Meinungen, Vorschläge oder Konter der künstlerischen Art sind immer willkommen.





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