Retro-Reise-Bericht:
SPANIEN
TEIL 1 (2006)
Der Norden
Abendland, der Jakobsweg als Rückgrat
Anfahrt (2006):
In
Frankreich machen wir einen „Coast-to-coast“: vom Mittelmeer, mit
Zypressen auf steinigen Kiesflächen, zum Atlantik, wobei es immer grüner
und üppiger blüht, aber auch gerne mal fein regnet.
Lourdes können
wir nicht auslassen. Es ist voll von Menschen, die sich in Gruppen um
Guides-mit-Regenschirm-hochhaltend versammeln, um gemeinsam die
Gnadenkapelle zu besuchen. Die wundertätige Marienquelle finden wir gar
nicht, vor lauter Gewurle. Dafür gibt es in den Straßen jede Menge
religiöser Souvenirs zum Kauf.
An
der Biskaya tangieren wir die Pyrenäen – hohe, grüne Berge, mit Hütten
aus Fachwerk. Wäre dies ein Bilderrätsel, ich würde auf das Allgäu
tippen. Und dennoch sind wir bereits in Spanien.
Ich bezahle die Maut, grüße mit „buenos dias“. Der Mann erwidert etwas wie „baa“. Das war wohl der baskische Ausdruck.
Santillana del Mar
ist ein mittelalterliches Bilderbuchstädtchen, aus Natursteinhäusern,
mit Gassen, Gemüsegärten, alten Tavernen. Ein schöner Ort, gemütlich und
alt. Könnte aber auch in Frankreich oder Deutschland sein ... Im Café
erst wird uns klar: wir sind in Spanien, wir sind wirklich da!
Die Nordküste
ist wirklich toll. Zur Rechten der Atlantik, zur Linken grüne Berge
(das Kantabrische Gebirge), dazwischen Braun-, Rot- und Weißtöne der
Strände und der Rìas.
Rìas sind Bäche, die bei Flut vom Meer ins Land fließen, und bei Ebbe wieder ab.
Immer wieder regnet es, ganz feiner Sprühregen, für ca. 3 Minuten – den man irgendwann nicht mehr merkt.
Alte Häuser auf den Klippen sehen aus wie in Hitchcock-Filmen – nach England oder Amerika.
In Noja
sind wir wohl die einzigen Fremden auf dem Campingplatz, und der ist
groß. Der Ort ist „geschlossen“, zumindest mittags. Ab eins riecht es
auf dem ganzen Platz nach gegrillten Meeresfrüchten, Familien kommen
zusammen. Nach Noja kommen Spanier zur Sommerfrische, also zum abkühlen –
und abends ist Stimmung.
Überall in der Gegend gibt es lustige T-Shirts mit Comic-Kühen – hier kommt die Milch her.
Mit „buenas dias“ liege ich übrigens voll daneben. Es heißt einfach „hola“ [ollah].
Und ein Espresso Macchiato heißt hier „Cortado“ (ca.: Abgeschnittener). Bitte nicht deutsch aussprechen, damit verstand mich keiner. Das r muss richtig rollen! [korrrrrtáddo]
Galicien
ist mit Portugal verwandt. Die Sprache klingt ähnlich, man redet nicht
so viel, leidet oder träumt gerne mal vor sich hin. Postkarten zeigen
z.B. Motive in Schwarz-Weiß, wie jemand alleine im Regen durch graue
Gassen wandert. Und doch ist man stets freundlich und aufmerksam.
Im Rasthaus dominieren 70er-Jahre Messing-und-Plastikmöbel, es sieht nach Bretagne oder Irland aus.
Die
Landstraße bringt uns über dunkles Land, wolkenverhangen. Hinter einer
Natursteinmauer ist der Friedhof, Wintergärten an verwitterten Häusern –
ich fühle mich vollends nach Irland versetzt.
Tatsächlich gelten die Galicier (Gallaeker) als keltisches Volk, sind also u.a. mit Iren, Schotten und Bretonen verwandt.
Zum
Ende der Welt ist es ein Tagesausflug. Ein „Ende der Welt“ gibt es in
Europa mehrmals, der westlichste Teil des europ. Festlandes ist
tatsächlich das Cabo da Roca in der Nähe von Lissabon. Aber am Kap Finisterre ist es auch schön.
Die
Skulptur von leeren Schuhen passt: hier ist schon einer aus den
Latschen gekippt. Sehnsuchtsvoll schauen wir auf den Atlantik hinaus.
Santiago de Compostela ist natürlich Sehnsuchtsort aller Pilger auf dem Jakobsweg.
Das
Erste das wir sehen und hören ist: ein Dudelsackspieler („Gaita“ heißt
die Sackpfeife hier). Daneben: ein Laden mit keltischem Schmuck und
Klimbim.
Woher kommt jetzt dieser Jakobsweg?
Die
ersten christlichen Reiche der Region brauchten eine
Identifikationsgestalt, und griffen auf eine alte Überlieferung zurück,
nach der der Apostel Jakobus der Ältere dort begraben wäre. Er wurde zu
ihrem Schlachthelfer (gegen die arabischen Armeen) – außerdem verband
der Weg die christlichen Reiche.
Ich -ganz persönlich- werde den
Eindruck nicht los, dass europ. Herrscher, als auch Päpste, bei der
Bedeutung etwas nachhalfen. Immerhin war hier das Ende des christlichen
Abendlandes, bedroht von der arabischen Eroberung, mit dem Rücken zum
Atlantik. Eine heilige Stätte, immerhin die drittheiligste der damaligen
Welt, wertet das Land natürlich erheblich auf.
PORTUGAL
Nebel hängt über der Autobahn und der Küste. Uhr umstellen, eine Stunde zurück!
An verwaschenen Plattenbauten vorbei fahren wir ins Zentrum von Braga und sehen uns um. Bemalte Fliesen (Azulejos) sind allgegenwärtig, alte Gemäuer bilden ein hübsches Städtchen.
Leise
und fast wortlos laufen die Leute vorbei, manch junger Mann
ausgesprochen schmuddelig. Für uns interessiert sich keiner – die den
Portugiesen eigene Lethargie beherrscht die Menschen.
Espresso: 0,50 EUR
Im Radio: eine Stunde Tekkno-Trance, ohne Ansage oder Unterbrechung.
wieder in Spanien
Die Gegend um das Puebla de Sanabria,
in der Provinz Zamora, ist bekannt für seine gute Luft. Und wirklich:
die Luft ist gut, die Berge sind schön, wir sind auf etwa 900
Höhenmetern.
Über dem Zeltplatz hängen dicke Netze, für Schatten. Abends wird es kühl, wir haben 2 Pullis übereinander an. Nachts: +3°C.
Auf der Südseite des Kantabrische Gebirges liegt wiederum eine eigene Welt:
die Meseta von ...
KASTILIEN
Abgebrannte Felder, gelbe Grasbüschel, kahle Berge, auf ihnen Windräder. Darüber weiter, blauer Himmel mit Schönwetterwolken.
León
Alte Hauptstadt des Königreichs León, das später in Kastilien aufging.
In
den Außenbezirken farblos in vielen Braun- und Gelbtönen, wie die
meisten span. Städte. 3-4 Stockwerke hoch ragen Wohnhäuser an engen
Straßen auf, werfen sich gegenseitig Schatten zu.
Hinter der
Stadtmauer, mit ein paar Türmen, ist es aufgelockerter. Alte Schilder
werben für noch ältere Läden, zwei Kathedralen sehen aus wie in
Frankreich.
Hier kann man im verwaschenen T-Shirt herumlaufen
– Ladies und Touristen werden freundlich begrüßt (auch wenn manche
Männer nach „Typ Macho“ aussehen).
Burgos
Krönungsstadt
vieler Könige, ist eleganter als León. Ältere Ladies gehen im
Sonntagskostüm zum Kaffeetrinken. Der überwiegende Teil ist gotisch,
gebaut wurde aber über die Jahrhunderte hinweg. Die Kathedrale
beherbergt so ziemlich alle europ. Stile, als auch ein Bild ("Maria Magdalena") eines Schülers Leonardo da Vincis.
Einer
der Baumeister war übrigens Hans aus Köln. Das Bauwerk sollte den
Machtanspruch Kastiliens unterstreichen. Der spanische Nationalheld „El
Cid“ liegt in seinem Grabmal in der Vierung.
Jaca, Provinz Aragon
Das Kloster San Juan de la Peña ist ein Kleinod. Idyllisch an der Südseite der Pyrenäen gelegen – ein kurvenreicher, langer Bergpass bringt einen dorthin.
Im 8. Jh. zogen sich Einsiedler hierher zurück, auf der Flucht vor arabischen Eroberern.
Ab
dem 11. Jh. wurde unter einem Felsen Kloster gebaut. Der romanische
Säulengang wurde aufwendig gestaltet, jede Säule anders, man schaut von
hier über den schönen Bergwald. Im 16. Jh. brannte das Kloster ab, man
ließ die Reste zurück. Der überhängende Fels dient heute als Dach. In
der Gruft wurden aragonsesische Könige beigesetzt.
Und wer den
Heiligen Gral in der Roslyn Chapel (Schottland) nicht finden konnte:
auch hierher gibt es eine heiße Spur (!). (Er wurde eine zeitlang hier
verwahrt, heute ist er in Valencia zu finden, in der dortigen
Kathedrale. Anm.d.Verf.)
„Unten“
ist wieder Halbwüste, die Autobahn bringt uns nach Osten. Mitten in der
„Wüste“ kommt die „Grenze“: Eine riesige Fahne mit rot-gelben Streifen
flattert im Wind. Ab hier sind wir in Katalonien / Catalunya.
Über Barcelona
wird ja viel geschrieben und erzählt. Partyhochburg, beliebtes Ziel für
Städtereisen, architektonische Sehenswürdigkeiten, und vieles mehr. La
Catedral ist einen Besuch wert, Antoni Gaudi hat sehr kreative
Hausfassaden geschaffen, und mit der Basilika Sagrada Familia (ab 1882)
eine der größten Kirchenbaustellen unserer Zeit. Der Montjuic zeigt
Beispiele moderner Architektur. Auf den Einkaufsstraßen laufen gut
gekleidete Leute und kaufen ein. Barcelona ist elegant, das zeigt man
gerne. Männer des „Typ Macho“ tragen z.B. Einkaufstüten der Ladies beim
Edel-Shopping.
Unser
Highlight ist das Nationalmuseum, auf dem ehem. Gelände der
Weltausstallung von 1929. Mit der Rolltreppe fährt man den Hügel hoch,
zum Eingang.
Gezeigt werden Exponate von der Romanik bis zum
Klassizismus. In der Abt. „Romanik“ wurden Innenräume von kleinen
Dorfkirchen der Pyrenäen nachgebaut. Restauratoren „zogen“ um 1900 alte
Gemälde auf Tuch, und gaben sie im Museum originalgetreu wieder, auf
gleichformige Wände. So hat man auf einem Fleck ein Panoptikum an
frühmittelalterlichen Malereien. Einschlägige Schemen gab es nicht
wirklich, in jeder Kirche wurden die „üblichen Themen“ interpretiert. Es
ist diese Vielfalt und Freiheit, die uns fasziniert, die Mischung aus
Antike, Volksmythen und neuer Zeit.
Zum Vergleich: „nebenan“, in
der Abteilung Gotik, beginnt es mit knieender Anbetung, dargestellten
Würdenträgern, die das Jesuskind verehren, dem Höllenschlund, und all
dem, das uns zum Mittelalter einfällt - stilistisch schon wesentlich
einheitlicher.
Berichte über moderne Architektur, die besten
Bars und Tipps zum Nachtleben überlasse ich Anderen, die das besser
können. Dieser Teil endet am Strand des Mittelmeers, einem schönen
Strand mit vielen Muscheln, Lagerfeuern und Musik von Leuten aus aller
Welt.
Teil 2 beginnt hier auch.
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