Sonntag, 22. Januar 2012

RuhrTour 2012 / Teil 3/3

Teil 3
Essen und Dortmund

Von Gladbeck, ganz im Norden, nach Essen, ganz im Süden. Der Wegweiser schickt mich geradeaus. Rechts Bottrop, links Gelsenkirchen, rundum ein Wäldchen.
Bottrop wird von einer Halde überragt, gekrönt vom Stahlgerüst des Tetraeders.

Essen empfängt mich mit hellen Bürotürmen und ausgedehnten Einkaufsmeilen. Die City ist geprägt von Geschäftsleuten, zu Fuß oder in schwarzen Limousinen, und Bummlern in Shopping-Malls und schicken Läden. Es war auch Essen, der Musterknabe, das den Titel Kulturhauptstadt 2010 für das Ruhrgebiet geholt hat.
Ich parke bei IKEA. Eine alte Werkshalle wurde zum Parkhaus umgebaut. Wäre ja schade gewesen um die schöne Fabrikhalle.




Essen gibt sich modern und zukunftsorientiert. Dabei ist Essen eine alte Stadt. Im Jahr des Herrn 946 wurde das Essener Münster nach einem Brand neu errichtet, Teile stehen bis heute. Das ottonische, oktogonale Westwerk, dem Aachener Dom nachempfunden, ist zur Hälfte erhalten, und wurde ab 1275 mit einer frühgotischen Hallenkirche erweitert. Bei dessen Bau wurde bewusst eine andere Formensprache als in Köln gewählt, um sich den Kölner Machtansprüchen zu widersetzen. Das Dachgewölbe ist durchgehend gleich hoch, vor allem sind Chor und Halle unter einem Dach. Getragen wird es von glatten Säulen, die Dienste laufen nicht hinunter. Immer wieder kommen Leute, verweilen in stillem Gebet.







Vor dem Grillo-Theater steht ein offener Bücherschrank. Ein weißes Holzregal mit verglasten Klappen hält Bücher bereit. Man stellt eins rein, nimmt sich dafür eins mit. Das Angebot wird rege angenommen, leer ist es davor nie. Natürlich leiste ich einen Beitrag!

Ich verlasse die City und fahre nach Essen-Werden, im Süden und direkt an der Ruhr. Steil geht es bewaldete Hügel hinab, vorbei an Schlößchen, über die Ruhr. Werden ist eine alte Stadt, mit viel Fachwerk und Klassizismus, und beliebtes Ausflugsziel.
Ab dem Jahr 799 wurden hier Kirchen gebaut. Ich besuche St. Lucius, die „älteste Pfarrkirche nördlich der Alpen“. Erbaut ab 955 ist sie Romanik in Reinform. Leider wurde sie ab der Säkularisation 1803 als Kornlager, später als Wohnraum genutzt. Erst in den 1950ern wurde es zurückgebaut. Doch Spuren bleiben: Die Außenfenster wirken wie Beton-Schlitz-Elemente, die Bemalung in rot-orange wirkt wie der Geschmack der 1970er. Alte Bemalung ist nur in Resten erhalten.






Weiter geht es Richtung Dortmund, meiner letzten Station.
Auf der A 40 fahre ich durch Bochum. Beiderseits erstrecken sich Wohngebiete, immer wieder steht ein alter Förderturm dabei. An einem Tunnel steht: „ich komm aus wir“.
Im Radio kommt eine Verkehrsmeldung: Wegen Tagebruchs wird ein Stück der A 45 bei Dortmund komplett gesperrt. Die Mittelspur sackte weg, der Stollen war alt und auf keiner Karte mehr verzeichnet. Genau dort wollte ich fahren. Ich werde morgen Früh um sechs losfahren, auf der B1 durch Dortmund, bevor ich auf den unvermeidbaren Stau treffe.

Anmutig präsentiert sich Zeche Zollern in der Nachmittagssonne. Der Zugang führt durch einen grünen Park, mit weit ausladenden, alten Bäumen. Die Zeche wurde 1898 bis 1904 im Historismus als moderner Vorzeigebetrieb errichtet. Stolz der Betreiber und Kaisertreue sind nicht zu übersehen. Die Maschinenhalle mit dem Jugendstilfenster war leider gesperrt. Dafür gibt es Abendessen im ehemaligen Pferdestall. Krüstchen = Schnitzel auf Brot. Lackierte Holzvertäfelung, darüber Tapete cremeweiß + grau melliert, Pflanzen und alte Gegenstände davor, schwache Beleuchtung, schwarz-weißer Fliesenboden. Für Steampunk-Freunde ein Highlight.





Ich bin am östlichen Rand des Ruhrgebiets, in Westfalen. Man spricht hochdeutsch, ist sehr höflich und um korrekte Bedienung bemüht, entschuldigt sich lieber drei mal zu oft als gar nicht, redet allgemein weniger.
Die Sonne versinkt hinter der Parklandschaft. Bevor sie wieder aufgeht, habe ich das Ruhrgebiet verlassen.

Das Wort „boah“ hatte ich kein einziges mal gehört.

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