Sonntag, 11. März 2012

Reisebericht Färöer, Teil 1/3

Retro-Reise-Bericht: April 1998
Per Frachtschiff auf die Färöer-Inseln

Teil 1: über den Atlantik nach Vestmanna

Mit dem Frachtschiff auf die Färöer! Die fixe Idee nahm 1998 Gestalt an. Ich schrieb von Hand an die Tourist-Info in Torshavn, englisch und deutsch, für 1,56 DM Porto. Zwei Wochen später hatte ich alle Infos, rief beim deutschen Büro der Färoe-Line in Bremerhaven an und hatte einen Termin.
Claus begeisterte sich für die Idee und wollte mit seinem alten Kadett fahren. Wir suchten eine Bleibe aus der Liste, er schrieb sie per E-Mail an. Erstaunlich viele Häuser hatten E-Mail-Adressen, obwohl nicht sonderlich viele Häuser auf der Liste standen. Wenn man so abgelegen wohnt, hat die Anbindung an die Welt eben einen anderen Stellenwert.

Drei Wochen vor Abfahrt kam ein Anruf aus Bremerhaven: ab sofort wird der Ort nicht mehr angelaufen. Ein paar Telefonate später hatten wir eine Übernachtung in Hjørring und den Zustieg in Hirtshals, Dänemark. Es war Anfang April.

Pünktlich um neun Uhr morgens waren wir im Hafen, fanden das Schiff. Es kam, wie wir es kommen sahen. Im Hafenbüro wusste keiner etwas. Am Schiff auch nicht, wir sollten den Koch finden. Also spazierten wir herum, suchten den Koch, erkannten ihn an seiner Kleidung. Immer wieder hörten wir in schlechtem Englisch die Sätze: „Ich weiß nicht, wir haben so viele ...“ Von einer Reservierung wusste er nichts. Nach etwas Diskussion und Hartnäckigkeit durften wir bezahlen. Claus beobachtete währenddessen die Autoverladung. Neuwägen wurden vorgefahren und aufwendig verladen. Die Reihe wurde linear abgearbeitet. Also parkte er den Kadett vorne in die Reihe und ließ den Schlüssel stecken. Prompt fuhr ein Seemann, in rotem Overall, ihn auf die Rampe und in den Rumpf. Wir waren dabei!

Die Blikur tuckerte los, den Hafen hinaus und auf die Nordsee. Es schaukelte angenehm, wir genossen es. Es gab lecker Mittagessen, Ruhestunden in der Koje, Abendessen und Ruhe. Die meiste Zeit liegt man im Bett. Lesen und Kartenspielen ist auf Dauer anstrengend, von der Schaukelei wird man irgendwann wuschig.
Die Blikur war Baujahr 1979, hatte 12 Kojen, 2 Toiletten auf dem Gang, keine Duschen. Einmal half sie in Seenot, die Dankesurkunde hing im Gang und war leicht zu verstehen. Dänisch ist irgendwas zwischen deutsch und englisch.
Am nächsten Morgen kreuzten wir durch die Shetlands. Steil ragten Berge auf, braun und grün, dazwischen die See.
Damit waren wir auf dem Atlantik. Die Wellen waren andere. Es ging hoch, hoch, hoch, auf dem Wellenkamm hatte man Aussicht. In der fahlen Sonne glitzerten die Kämme der nächsten Wellen, etwa 10 Meter hoch, das reichte bis zum Horizont. Dann ging es ab, ab, ab. Und wieder hoch, hoch, hoch. Cool, echter Seegang! Kartenspielen war nicht mehr möglich - die Karten rutschten vom Tisch. Nie werde ich vergessen, wie ich am Tisch saß, während plötzlich mein Rucksack von der Wand auf mich zuflog. Jetzt war auch klar, warum im Aufenthaltsraum jeder Tisch und Stuhl am Boden festgekttet war. Zu jeder Mahlzeit kamen jetzt weniger Passagiere. Wir blieben standhaft - als einzige Landratten an Bord.
Leider war die Länge der Blikur, mit 89 m, nicht kompatibel zum Seegang. Das Schwanken schaukelte sich auf, bis sie nach etwa drei Minuten von oben in die Welle klatschte - das Schwanken fing von da an wieder ganz langsam an. Der Anker schlug auf den Bug, wie der Klöppel auf die Glocke. Das Zeichen auf Toilette zu gehen, falls man musste, sich dort hinzusetzen und an den Griffleisten festzuhalten. Auf den nächsten Schlag warten und schnell zurück, ins Stockbett legen, ein Bein abwinkeln um nicht zu rollen, und weiter dösen. Natürlich bremst solcher Seegang, wir hatten Verspätung, würden mitten in der Nacht erst ankommen. Also durften wir noch eine dritte Nacht bleiben und frühstücken.




Nordatlantik, Wellenhöhe ca. 10m (in 2D nicht zu erkennen)

Die Norröna in Tórshavn








Wir betraten die Färöer-Inseln, in einem ruhigen Hafenbecken, zwischen Lagerhallen und leeren Anlegeplätzen. Keine Grenzkontrolle, kein Zoll, kein Schild, - wir starteten den Kadett, mit einem Kasten Bier im Kofferraum, und fuhren los.

Nach 40 Minuten Fahrt kamen wir nach Vestmanna, der drittgrößten Stadt, mit 1200 Einwohnern. Wir hatten zwar die Adresse unserer Bleibe notiert, doch das brachte nichts, da die Straßen keine Namensschilder hatten. Also fuhren wir solange herum, bis wir den Schriftzug des La Carretta fanden. Die Wirtin hatte uns schon aufgegeben, da wir gestern nicht kamen. (Handys waren noch nicht verbreitet). Endlich konnten wir duschen.


Vestmanna, Blick aus dem Speisesaal




Der Ausblick beim Frühstück war toll. Die Sonne schien in den kleinen Hafen, eingerahmt von grünen Bergen. Wir wählten unser Abendessen aus und fuhren los. Auf den Inseln gibt es fast 500 km asphaltiertes Straßennetz, genug zum spazierenfahren. Zum Abendessen waren wir zurück. Nachdem wir dort auf unser Essen warteten, war das Restaurant geöffnet und es kamen auch mal Einheimische vorbei. Wenn man das Restaurant kennt, findet man auch den Weg. Man betritt das Haus, nutzt die Garderobe im Treppenhaus, zwischen Treppenaufgang und grünem Teppich, geht durch die Tür in den Raum, der aussieht wie ein Wohnzimmer, zur Saison aber als Restaurant dient. Saison ist von 15. Mai bis 15. August, dann hat jede Herberge und jedes Café geöffnet. Wir waren im April dort, also zur „Sturmsaison“, wie die restliche Zeit des Jahres genannt wird.


Bilder von der Blikur in schwerer See gibt es auch hier zu sehen:

In Teil 2: Das gibt es alles zu sehen auf der Inselgruppe




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