Donnerstag, 29. Mai 2014

Neuer Roman: Wildnis Nr. 50

Grüner wird‘s nicht! 




So Freunde, endlich gibt‘s was Neues. Eine halbwegs heitere und spannende Story aus der Tiroler Bergwelt – ein neuer Roman!

Fertig war er schon vor einem Jahr. Ich hatte versucht, ihn über Agenturen an einen Verlag zu bringen. Das war eine interessante Erfahrung. Die häufigsten Antworten:
Gute Idee, gut gemachte Story, passt nur derzeit leider nicht ins Programm.
ODER: ja, nehmen wir, zu folgenden Konditionen ...

Ein hauptberuflicher Autor verkauft ja vor allem sich selbst, was auch mit hoher Reisefrequenz verbunden ist. Aber das ist leider nicht meine Welt. Ich muss arbeiten gehen – und feile nebenher an meinen Texten.
Ein Indie-Autor zu sein, bringt wenig Glamour und Geld, dafür ist man unbestechlich, unbeirrbar – eben unabhängig.

Independent heißt für mich:
Verlage bringen raus, was die Leute zur Zeit lesen. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Da ich in meiner Freizeit schreibe, und mir das Spaß macht, kann und mag ich den Trends nicht nachlaufen. Ich schreibe lieber über Sachen die ich kenne, und bleibe authentisch. Das Ganze wird selbstredend probegelesen, lektoriert und korrektoriert – um ein angemessenes Qualitätsniveau einzuhalten.
Der Begriff „Independent“ ist bei mir positiv besetzt, früher hörte ich sehr viel Musik dieses Begriffs. Ungeachtet von Trends und Erfolgschancen macht man sein eigenes Ding – aber das auf einem gewissen Level.


Das Lektorat übernahm wieder Ilse Bub (es soll nichts ungeprüft raus!)

Zur Erstellung hatte ich fast kein neues Papier verwendet, es gab genug übrige Blöcke und Reste. Ihr unterstützt also auch nachhaltig erzeugte Literatur aus der Region :-) 
Das Buch kommt ebenfalls ohne Papier aus - es ist derzeit nur als eBook erhältlich. 

Mein Versprechen:
das komplette Honorar wird zu 100% in Kompensationsgüter fürs Erstellen der nächsten Werke verwendet. Na, ist das gelebte Nachhaltigkeit?

Das Cover ist ein Provisorium. Die Idee für ein besseres ist schon da, es fehlen nur noch geeignete Fotos.
Da ich nicht noch ein Jahr warten will, gibt es das Buch JETZT – und das Cover in einer Limited Edition. Ein Sommerbuch wie dieses sollte man nicht den Sommer über zurückhalten ...

Klappe, jetzt:
Vier junge Männer aus der Stadt feiern Junggesellenabschied, auf einer einsamen Hütte in den Tiroler Bergen. Die alte Geistergeschichte, die sich um das Haus rankt, nimmt immer mehr Gestalt an, bis einer von ihnen spurlos verschwindet. Können sie das Rätsel lösen und ihn finden? Die Spur führt sie tief in den Wald, in ein grünes Paradies. Sind sie bereit, ihr Abenteuer zu bestehen?

Ein kleines Buch über alte Werte, neue Perspektiven, das Zusammenleben von Geistern und Menschen, in einer Mischung aus Spannung, Belletristik und Humor.

Ja, es ist ein Buch mehr, das die Welt nicht braucht. Aber wer weiß, vielleicht findet man ein Stück von sich selbst darin?


Zum Einkaufswagen: 
http://www.amazon.de/Wildnis-Nr-50-Robert-K%C3%B6nigshausen-ebook/dp/B00KMOO1H2/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1401369630&sr=8-1&keywords=Wildnis+Nr.+50
 






LESEPROBE:

http://wortlaterne.blogspot.de/2014/05/leseprobe-wildnis-nr-50-roman.html

 




Rückmeldungen sind jederzeit willkommen. 
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!


Leseprobe "Wildnis Nr. 50", Roman










1
Heiß war mir an diesem Morgen, unerträglich heiß. Ich öffnete den Reißverschluss meines Schlafsacks, streckte ein Bein ins Freie, legte den Arm über meine Augen. Die Sonne brannte voll auf den Balkon und mir ins Gesicht. War es wirklich schon wieder Zeit aufzustehen? Hatten wir nicht eben noch gefeiert? Eine uralte Cosmic-Endlos-Mix-CD gehört, mitgejohlt, Bier und Schnaps getrunken, geraucht, Sterne und Fledermäuse beobachtet, gealbert und gekichert, sind lachend vom Stuhl gekippt, durchs Haus gestolpert? Wir fühlten uns unsagbar frei und unbeschwert, der Alltag lag hinter den sieben Bergen. Ich hätte Bäume ausreißen können vor lauter Hochgefühl. Den drei anderen ging es ebenso, sie waren nicht zu bremsen gewesen. Mein Mund schmeckte nach Tod und Verwesung, das kam davon, und mein Kopf fühlte sich schwer an. Ich wälzte mich hin und her, um das Unbehagen zu zerstreuen, sah auf meine Uhr und brauchte eine Weile meine Gedanken hochzufahren. Sieben Uhr morgens, die Sonne brannte rein.
Ich sah hinüber zu Chris. Auch er hatte seinen Schlafsack geöffnet, den Arm über die Augen und murrte vor sich hin. Es wurde immer heller und heißer auf dem Balkon. Nicht auszuhalten! Schlaftrunken entstieg ich meinem Nachtlager, zog mich am Balkongeländer hoch, schwankte verschlafen durch den Gang des ersten Stocks, rannte mir sogleich den Kopf am Türstock an. Oh, wie das schmerzte! Ich hielt kurz inne, damit sich meine Augen an die Düsternis gewöhnen konnten.
Benommen wie ich noch war, musste ich mich auf die Treppe konzentrieren. Sie führte steil nach unten, die Stufen bestanden nur aus dünnen Brettern. Oft genug rutschte ich ein paar Stufen weiter und flog hin.
Ich öffnete die alte Küchentür und trat ein. Diesmal dachte ich daran den Kopf einzuziehen. Die Leute waren früher einfach viel kleiner!
Geruch von Qualm, Moder und Essensresten schlug mir entgegen. Mühsam öffnete ich die Klemmen der Fenster, oben und unten, drehte den Griff, öffnete beide Innenfenster, danach beide Außenfenster.
Meinen Brand löschte ich mit Leitungswasser, das hier frisch aus der Sammelgrube am Berg kam. Tat das gut!
Es war eine Wohltat in der Küche zu stehen, denn diese war noch einigermaßen kühl. Mittelpunkt war ein alter Herd, aus Gusseisen, mit Feuer betrieben, verstellbaren Luken und einem Rohr für den Rauchabzug, daneben der Holzvorrat. In einer alten Anrichte war das Geschirr des Hauses. Die Fläche des Tischs aus grauem Kunststoff war bereits von Messerspuren zerfurcht, vor dem Küchenfenster aus weißem Holz glänzten Spinnweben im Morgenlicht. Davor warteten alte Stämme zu Brennholz verarbeitet zu werden und Brennnesseln auf Kompost, der ihnen aus der Küche entgegen flog. Dahinter breitete sich ein spektakuläres Panorama aus leuchtenden Bergspitzen und dunklen Wäldern aus.

Auf den knarzenden Brettern über mir hörte ich Schritte im oberen Gang. Da fiel einer mehr die Treppe herunter als zu gehen. Chris vergaß, dass er größer war als die alten Bergbauern, und rannte seinen Kopf am Türstock an. Fluchend und lachend zugleich trudelte er herein. Auch er trank gierig Wasser.

Es war Bernds Junggesellenabschied. Wir wollten ein paar Tage auf eine Hütte, wie wir als Jugendliche öfters unsere Ferien verbracht hatten. Das waren mit die schönsten Erinnerungen. Doch mit Freundinnen wurden diese Ferien immer weniger. Die Mädchen wollten an den Strand, oder sonst wohin, nur mit ihrem Schatz. Bernds anstehende Hochzeit war die einzigartige Gelegenheit für eine letzte gemeinsame Freizeit. Und dieses Haus war für unsere jungen Frauen ohnehin unannehmbar: Weder Dusche noch Waschgelegenheit, außer dem kalten Gebirgsbach, kein warmes Wasser, kein Strom.
Da wir uns auf keine bisherige Lieblingshütte einigen konnten, suchte ich im Internet nach einem neuen Haus. Wobei dieses Haus in Tirol nur über ein paar Ecken zu finden und nur nach einem persönlichen Besuch zu buchen war. Ich verbuchte es als Meisterstück meiner Spürnase. Chris und ich buchten und zahlten den Aufenthalt vor Ort.
Er war mehr der zupackende Typ - Bier tragen, Holz hacken, coole Sprüche ablassen, das war seine Welt.
Ich musste alles notieren. Wer welchen Schlüssel hatte, was zu beachten war, wer früher einmal wen umbringen wollte in dieser Region - denn um ein solches Haus musste sich natürlich eine Legende ranken.
Glaubt man dieser Legende, lebte hier vor hundert Jahren ein Wilderer, den sie den „Bachhias“ nannten. Er schoss mit Vorliebe Hirschen und war gerissen genug, dem Förster stets zu entwischen. Immer wenn dieser Schüsse hörte und dem  Bachhias den Heimweg abschnitt, hatte dieser nichts bei sich, weder Hirsch, noch Gewehr. Beides hatte er immer in einer Höhle hinter einem Wasserfall versteckt, holte alles erst heim, wenn er unbeobachtet war.
Hilflos und schäumend vor Wut griff der Förster zur Hinterlist. Auf seinem Heimweg vom Wasserfall musste der Bachhias über eine Brücke – und eben diese sägte der Förster eines Tages an. So geschickt, dass sie den Hias alleine zwar noch trug, mit Hirsch auf den Schultern brach sie jedoch. Der Hias stürzte acht Meter in die Tiefe. Der Bach ist an dieser Stelle ziemlich seicht, ein nicht mehr lesbares Wegkreuz erinnert an einen dort Verunglückten. Natürlich will sich der Bachhias heute noch rächen und geistert umher.

Mit langsamen Bewegungen schichteten wir zerknülltes Zeitungspapier und dünne Holzstückchen in den Herd. Wir zerknüllten die Zeitung, welche Chris sich gestern gekauft hatte, nicht ohne sie vorher nochmals zu überfliegen. Ich hielt die Sportseite in der Hand. „Sport ist Mord“ meinte Chris, also konnte ich die Seite getrost einheizen. Er fragte mich nach meinem Sternzeichen, um mir mein Horoskop vorzulesen.

„... Jupiter verleiht ihnen zusätzliche Kraft um aufgeschobene Probleme endlich anzupacken. Eine neue Bekanntschaft könnte ihr Leben bereichern.“

„Wen soll ich hier schon kennenlernen?“ fragte ich verblüfft. „Außer ein paar Fledermäusen und Grashüpfern kommt hier nichts vorbei.“ Chris meinte, er hätte in der Nacht Bekanntschaft mit den Hausmäusen gemacht, welche seine Zigarettenschachtel anknabberten. Also hat das Horoskop recht. Ich zündete das Holz im Herd an, er sich eine Zigarette. Ich setzte Wasser auf, suchte Kaffee, Kanne und Filter zusammen. Er suchte Essbares in der Speisekammer.
Das Wasser brauchte ewig bis es heiß wurde. Ich legte Holz nach, wedelte mit einem Stück Pappe vor der Luke herum, aber das brachte nicht viel.

Wir traten ins Freie, um auf den Balkon hoch zu schauen. Die anderen zogen sich gerade an oder suchten ihre Sachen zusammen.
Neben der Eingangstür war das Schild mit der Hausnummer angebracht. Der Name der Gemeinde stand klein darauf, darunter groß die Nummer des Hauses: 50. Kein Straßenname oder Zusatz. „Wildnis, Haus 50“, dachte ich bei mir.

Im Gebüsch raschelte es. Eine Mountain-Bikerin bahnte sich Weg über den engen, halsbrecherischen Wanderweg, welcher durch Dickicht auf unser Haus zuführte und nicht mehr genutzt wurde. Teilweise lagen morsche Bretter auf dem Weg, damit man bei Regen nicht wegrutschte. Sie musste ihr Fahrrad schieben, da zudem große Steine im Weg lagen. Dort oben musste ein alter Forstweg existieren, der vor etwa 20 Jahren bei heftigem Regen weggespült wurde. Wir wunderten uns, dass sie nicht den neuen Forstweg genommen hatte, der direkt an unserem Haus vorbei führte und den alle normalen Mountain-Biker nahmen.
Eine hübsche, schwarzhaarige junge Frau stand vor uns. Sie strahlte übers ganze Gesicht, als sie uns mit leuchtenden Augen nach dem Weg zum Sonnwendjoch fragte. Chris musterte sie grinsend und zog an seiner Zigarette. „Warum willst du überhaupt weiter?“
„Bist du die Bekanntschaft aus meinem Horoskop?“, wollte ich wissen. 
Sie meinte, sie wäre das falsche Sternzeichen und hätte sich nur verfahren.
„Den großen Forstweg in diese Richtung“ meinte Chris, um die Situation zu retten. „Dann kommt irgendwann eine Gabelung, da musst du dich rechts halten. Eigentlich kann man sich hier auch gar nicht verfahren.“ Dankend fuhr sie los.

Während das Wasser nur sehr langsam warm wurde, blätterte ich in den alten Zeitungen vor dem Herd. Der alte Artikel von 1994 verriet mir, was am zweiten Juli passierte.
Wie jeden anderen Tag auch wurden allein an diesem Tag 55.000 Hektar Tropenwald vernichtet, starben 100 bis 200 Tier- und Pflanzenarten aus, nahm das verfügbare Ackerland um 20.000 Hektar ab, wurden 220.000 Tonnen Fisch gefangen, belasteten 60 Millionen Tonnen Kohlendioxid die Atmosphäre. Die Natur bräuchte 14 Monate, um zu ersetzen, was wir in 12 Monaten verbrauchen.
Mir verging noch mehr die Lust, jemals wieder in neinen Alltag zurückzukehren und diesen Lauf der Dinge zu unterstützen. Doch hier schien das alles ganz weit weg zu sein. Die Morgensonne und das atemberaubende Panorama lockten mich ans Fenster.
Endlich kochte das Wasser, ich konnte mit einer riesigen Schöpfkelle das Wasser in den Filter kippen. Es roch schon nach Kaffee.

Wir saßen mittlerweile vollzählig im Freien am Frühstückstisch. Frank fragte sich, ob er Milch oder Rum in seinen Kaffee tun sollte. Er war eher der Mann fürs Grobe.
Bernd schmierte sich ein Brot und wollte wissen, wer oder was heute Früh schon vorbeikam. Chris meint trocken: „Die Frau des Jahrhunderts kam heute schon vorbei. Sie wollte wissen, ob ich noch zu haben bin.“
Frank hustete seinen letzten Schluck wieder aus und wurde schlagartig wach: „Warum habt ihr sie nicht gleich zum Frühstück eingeladen?“
Chris zog die Schultern hoch: „Zu welchem Frühstück denn?“
Ungläubig schaute Frank zu mir. Ich meinte nur „Sie liest das falsche Horoskop“, und widmete mich wieder meinem Frühstück.
Ein uralter Benz fuhr auf dem Forstweg bergab. Auf der Höhe vor unserer Hütte blieb er stehen. Wir kauten langsamer, um diese Szene gespannt und aufmerksam verfolgen zu können. Leider hörten wir nichts außer dem Motor des Benz und dem Rauschen des Bachs, konnten auch kein Gesicht erkennen. Der Fahrer stieg aus, öffnete die Hintertür, zog eine Flinte heraus, verstaute sie am Beifahrersitz, stieg wieder ein und brauste davon. Was blieb, war eine Staubfahne, sowie unsere ratlosen Gesichter.

„Was war denn das?“, fragte Bernd sichtlich verwundert.
Chris meinte: „Nach Ausflug sah das nicht gerade aus.“
Frank hatte sich für die Milch entschieden und plapperte in die ratlose Stille hinein: „Das war unser Freund Matthias Bach. Er hat das Leben in der Wildnis satt, jetzt fährt er ins Dorf, um sein Erspartes durchzubringen. Oder um Karriere zu machen.“
Bernd wunderte sich: „Ich dachte, der Bachhias kommt nur in der Nacht, um arglose Städter zu erschrecken.“
Chris erklärte es ihm ganz nüchtern: „Die Legenden sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.“
Frank munkelte: „Oder das war der Förster, auf seinem Weg, den Hias zu richten. Und wir sind die Nächsten, weil wir schon zu viel wissen.“




2
Frank und ich trugen Essen und Geschirr nach drinnen. Er hatte Wasser für den Abwasch aufgesetzt, fing gelangweilt an zu spülen.
Chris und Bernd diskutierten angeregt in der Stube. Sie konnten sich nicht einigen, kamen zu uns in die Küche gestolpert.
„Das Geweih in der Stube: Hing es gestern an der Wand, oder nicht?“
„Welches Geweih?“, wunderte ich mich.
Wir hasteten in die Stube um es uns anzusehen.
„Da ist ja echt eins“, staunte ich, als ich einen kleinen Schädel mit einem mickrigen Geweih sah. Sie hingen öfter in Restaurants oder Wohnzimmern, nichts Besonderes. Dieses hier lehnte auf der Sitzbank.
„Das hing!“, war Frank sich sicher.
Wir schauten ratlos drein. „Was machen wir jetzt?“
„Wir hängen‘s auf“, schlug Frank vor. „Dann wissen wir, dass es hängt.“
„Und wir schlagen den Nagel selber ein!“ Chris öffnete das Vorhängeschloss zur Werkstatt gegenüber und suchte sein Zeug zusammen.
Wir folgten, denn diesen Raum hatten wir nur flüchtig angeschaut. Er roch nach Arbeiten wie Holz hacken. Rostige Nägel waren in der Schublade einer alten Anrichte. Auf ihr lagen zwei vergilbte Zettel. Der eine mit der Zeichnung eines Wasserfalls, der andere mit einem Lageplan. Verwundert brabbelten wir durcheinander, bis klar wurde, was zu tun war.
„Eine Schatzkarte?“
„Wir schauen da hin!“
„Die alten Plan mitnehmen?“
„Nein, wir zeichnen sie ab. Sie bröselt schon fast.“
„Vielleicht ist was mit Geheimtinte darauf geschrieben?“
„Du meinst, wir halten sie über eine Flamme, damit sie uns wegbrennen?“
„So machen das die Helden in ihren Filmen.“
„Nein, wir fackeln sie nicht ab. Zuerst schauen wir uns den Ort an.“
„Genau!“
„Sven ist der Talentierteste für solche Sachen“, meinte Chris an mich gerichtet. 
Ich zeichnete die Pläne in meinen Block und machte zwei Kopien, zum mitnehmen. Chris knipste sie mit seinem Handy. Über das Alter der Dokumente wurden wir uns nicht einig. Weißes Briefpapier, mit Tusche bekritzelt und am vergilben - es konnte 50 oder 150 Jahre alt sein.
Frank dachte als einziger an die Arbeit, schlug einen der rostigen Nägel in der Stube an die Holzwand, und hing das Geweih auf.
Dann schwärmten wir aus um zu packen. Diesmal war es Bernds Kopf, der an einen Türstock schlug. Was brauchten wir? Seilzeug zum Bergsteigen? Lassen wir da, wir schauen nur mal. Badehose? Ja! Machete? Nicht vorhanden. Axt? Zu schwer.
Frank und Chris schlossen alle Fenster und Türen. Auf den restlichen Abwasch hatte keiner mehr Lust.
Die Stimme gehörte zu Frank: „Aua, blöde Balken!“
Ich kam mir „overdressed“ vor mit meinem Rucksack, mit Wanderkarte, Kopien der Schatzkarte, Ersatzwäsche und Getränk. Chris hatte seine Badesachen in einer Plastiktüte, Frank nur ein Handtuch auf der Schulter.

Fasziniert starrte Bernd von schräg links und dann von schräg rechts auf den Boden. „Das müsst ihr euch ansehen!“ rief er uns zu. Wir eilten herbei, konnten jedoch nichts erkennen. Langsam deutete er mit dem Finger darauf, noch immer erkannten wir nichts. „Ein ganz kleines Tier krabbelt da, mit einem Greifarm, wie ein Krebs etwa. Er ist nicht länger als zwei bis drei Millimeter“ erklärte er uns die Sensation. Jetzt sah ich den Krebs auch. Ganz zart und fein war er, krabbelte, blieb stehen und fuchtelte mit seinem Greifarm herum, als wollte er nach uns schnappen. Nach etwa drei Minuten schwand unser Interesse an ihm und wir brachen auf.
Wir stoppten, als eine riesige Mücke an uns vorbeischwirrte. Ihr Körper war circa zwei Zentimeter lang, nach hinten zog sie Beine mit drei Zentimetern Länge nach, welche schlaff in der Luft hingen. Mit einem tiefen Brummen sauste sie vorüber, stumm und verwundert schauen wir ihr nach.
„Das volle Refugium hier.“
„Für alle möglichen bedrohten Arten.“
„Ist jemand von euch auch vom Aussterben bedroht?“
„Ja, ich!“, meldete sich Chris. „Ich arbeite mit meinen Händen. Das ist heutzutage selten.“

Die Luft flirrte als wir behäbig den Weg bergauf antraten. Umgehend rann mir Schweiß von der Stirn. Nach ein paar Minuten waren wir vor einer Schutzhütte angelangt. Vor ihr stand ein Brunnen - ein ausgeschnitzter Baumstamm, in den ständig frisches Wasser aus einem hölzernen Hals fiel und nach hinten durch eine Kerbe herauslief und den Hügel hinab plätscherte. Von Zeit zu Zeit setzte der Strahl aus, um kurz darauf mit einem Schwall wieder einzusetzen.
Das Innere der Schutzhütte war ein kleiner Raum, mit vier schmalen Liegeplätzen, ein paar Tütchen Astronautennahrung, Verbandszeug, Rettungsdecken und Infomaterial. Seltsamerweise stand an der Wand eine alte Standuhr, die eines Tages um halb vier stehen geblieben war. Frank öffnete den Kasten und pfiff durch die Zähne. Eine alte Flinte lehnte darin. Auf den dunklen Holzschaft war ein Blech eingelassen, mit dem Bild eines stolzen Hirschen.
„Von so einer Büchse hat der Vermieter erzählt“, murmelte ich.
„Der hat viel erzählt ...“
„Und hier reinzustolpern ist nicht schwer. Noch sind wir auf dem Forstweg.“
„Vielleicht ist es seine eigene. Und mit der Geister-Story will er, dass wir die Finger davon lassen?“
„Von der Büchse lasse ich wirklich die Finger“, erwiderte Chris. „Vielleicht ist sie geladen. Und der Schuss löst sich versehentlich, und geht mir ins Gesicht, weil der Lauf schon so verrostet ist. Das gibt nur Ärger!“
Unschlüssig traten wir ins Freie, die Sonne schmerzte in den Augen.
Weiter ging es bergauf, vorbei an einer wilden Wiese. Zwischen hohem Gras wuchsen wilde Blumen aller Farben, Bienen sammelten fleißig Nektar, Schmetterlinge flatterten lautlos darüber hinweg. Gerüche der verschiedenen Blumen stiegen uns in die Nase und die Sonne brannte gnadenlos auf uns herab. Frank rückte seine Sonnenbrille zurecht, ich zog meine Kappe tiefer ins Gesicht. Schweigend stapften wir voran, während uns der Schweiß von der Stirn lief. Der Weg führte nun durch Wald, der uns Schatten spendete. Rechts und links des Weges erstreckten sich Bäume soweit man sehen konnte. Sie bildeten ein Dach aus Nadeln und Blättern, das nur wenige Sonnenstrahlen durchließ. Richtig finster kam es mir vor. Am Boden wuchsen Sträucher und junge Laubbäume, die froh waren ein paar Sonnenstrahlen zu erheischen. Manchmal wuchsen Heidelbeersträucher am Waldboden, teilweise auch Moos, größtenteils bestand der Boden aus Reisig und alten Ästen. Das Rauschen des Baches begleitete uns allgegenwärtig.

Ein weiteres Stück bergauf und eine Biegung um einen moosbewachsenen Felsen, standen wir vor der Brücke. D-e-r Brücke über d-e-n Bach.
Auf einer Länge von etwa sechs Metern überspannte sie einen Abgrund. Die Brücke war eine solide Stahlkonstruktion, deren breiter Bretterboden selbst Autos trug. Zu beiden Seiten war sie mit einem stabilen Geländer gesichert. Über dieses Geländer gebeugt sah man die Felswände senkrecht in eine Tiefe von acht Metern abfallen. Der Bach unten war breit und nicht sonderlich tief, viele große und spitze Steine ragten dort hervor. Vor hundert Jahren führte hier bereits eine Brücke über den Bach, von welcher der Sage nach der Bachhias zu Tode stürzte.
Nach ein paar Minuten trennten wir uns von dem schaurig schönen Anblick des Baches. Ehrfurchtsvoll schritten wir zum gegenüberliegenden Ufer. Dort stand ein altes Wegkreuz, welches an einen hier Verunglückten erinnerte. Eine hohe, schmale Steintafel trug ein verschnörkeltes, gusseisernes Kreuz. Auf der Steintafel erkannte man noch das Symbol eines Dreiecks, welches goldene Strahlen aussendet und den dreifaltigen Gott darstellen sollte. Die Inschrift war stark verwittert und nur bruchstückhaft zu entziffern. Ich las die wenigen erkennbaren Worte „In Gedenken an ... der hier am 25. März 18.. ... stürzte.“ Kein Zweifel also, dass sich der Bach an diesem Ort bereits ein Opfer geholt hatte.
An diesem Wegkreuz bogen wir ab, auf einen schmalen Trampelpfad, der erst auf den zweiten Blick erkennbar wurde und immer scharf am Bach entlang führte. Anfangs ging es noch über frisches Gras, an vermoosten Felsen vorbei. Zur rechten ging es fast senkrecht bis zum Bach hinunter. Doch die alte Karte schickte uns eindeutig diesen Trampelpfad am Abgrund entlang.
    Wir wandelten mittlerweile durch einen Birkenwald. Rundum standen weiße, schlanke Baumstämme; helle Blätter bildeten ein ausladendes Dach. Auf dem Boden wuchs kurzes Gras und dickes Moos. Der Ruf eines Kuckucks und das Rauschen des Baches begleiteten uns.
Auf einmal war der Pfad unterbrochen, ein Sturzbach hatte ihn auf einer Breite von zwei Metern weggeschwemmt. Ich hielt kurz inne bevor ich in das steile, trockene Bachbett sprang. Sofort lief ich zwei Schritte, um an seinem anderen Ende hochzuspringen. Fast einen Meter lag die Kante über der Furche, bestand aus Lehm und Waldboden – ich musste also gleich weiter, um nicht abzurutschen. Und das bei diesen Außentemperaturen! „Jetzt werde ich aber alt“, dachte ich bei mir, als mir der Schweiß zu laufen begann, „früher war das ein Klacks.“ Es beruhigte mich zu sehen, wie den Drei ebenfalls Schweiß im Gesicht stand.
Weiter ging es durch den Wald. Kleine Laubbäume hingen ihre Äste über den Weg. Ein umgestürzter Baumstamm war über und über mit Pilzen bewachsen. Lang und schmal zogen sie sich im Halbrund längs des Baumstamms hin. Mit ihrer hellgelben bis hellbraunen Farbe konnte man sie für Eiter oder Blasen des Baumes halten. So diente
ein abgestorbener Baum als Grundlage neuen Lebens.
Auf dem Waldboden wuchsen Moos und Farne. Schmale, gezackte Farnblätter reichten uns bis an die Knie. Ein umgestürzter Baumstamm lag quer über unseren Weg. Der Stamm war völlig vermoost. Drei seiner Äste hatten beschlossen, als eigenständige Bäume weiter zu leben und den alten Stamm als Wurzel zu nutzen. Stolz ragten sie zwei Meter in die Höhe, verästelten sich und trugen ein eigenes Blätterdach. So diente auch dieser alte Stamm als Grundlage neuen Lebens.

Wir waren fast an unserem Ziel angelangt. Durch das Blätterdach sah ich schon den Wasserfall. Ja, hier ließ es sich vorzüglich baden! Doch zuerst mussten wir hinabklettern, da unser Pfad drei Meter höher lag. Auf Kies führte der Zugang ziemlich steil hinab. Den einzigen Halt fand man an zwei Bäumen, an deren Ästen man sich festhalten und langsam hinab hangeln konnte. Noch einmal wurden meine Konzentration und meine Kraft gefordert. Wir waren angekommen, stapften über den groben Kies am Bachufer und setzten uns auf die großen Steine. Überwältigt bewunderten wir den Wasserfall und dieses phantastische Stückchen Erde. Vor uns lag ein Wasserbecken von etwa fünf Metern Durchmesser und drei Metern Tiefe, gespeist von einem hohen Wasserfall; gehalten von einer Schwelle, über welche der Bach nur dünn weiterfloss; umringt von bewaldeten Hängen und einer schotterigen Landzunge, auf welcher wir uns ausbreiteten. Ein paar kleine Felsen und ein umgestürzter Baum boten sich als Sitz– und Liegeplätze an. Die Sonnenstrahlen verfingen sich im Wasserfall, welcher glitzernd hinabfiel.
Das Wasser lockte uns. Es tat unheimlich gut sich zu erfrischen und den Schweiß abzuwaschen. Hier unten war es endlich einigermaßen kühl. Nach dem Auftauchen sah ich mich um. Vor mir ragten große Felsblöcke auf, in deren Mitte der Wasserfall herabstürzt. Hinter diesem Wasserfall tat sich, der Sage nach, eine Nische oder kleine Höhle auf. Dort versteckte der Bachhias seine Flinte und seine Beute.
Das weckte natürlich unsere Neugier. Einer nach dem anderen versuchte unter dem Wasserfall durchzuschwimmen, doch es ging nicht. Gegen den Strahl gab es kein Ankommen. Auch nicht, wenn drei von hinten anschoben.
Wie kam der Hias dahinter? Wir sahen uns genau um. Links am Fels führte so etwas wie ein Vorsprung entlang, endete jedoch zwei Meter vor dem Wasserfall. Auf der gegenüberliegenden Seite fiel der Fels glatt ab. Also ging es nur von links, wo auch der Trampelpfad herkam. Und „heim“ mussten wir über die Brücke. Das Bild passte.
„Räuberleiter?“ Chris schwamm an den Fels heran, versuchte sich irgendwie festzuhalten. „Zwei Mann zu mir! Bernd ist der Leichteste, er geht auf unseren Händen!“
Langsam tastete sich Bernd am Vorsprung entlang, oft genug nur mit dem großen Zeh auf dem Vorsprung, versuchte er sich wie ein Freeclimber am Fels zu halten. Wir hatten genug zu tun gegen die Strömung anzuschwimmen, uns irgendwo festzuhalten und eine Hand hochzubringen. Sein Fuß drückte mich unter Wasser, ich hielt ihn dennoch oben. Als sein Gewicht wich, tauchte ich auf, hörte ihn ins Wasser platschen.
Zweiter Versuch. Wieder das Gleiche. Dritter Versuch. Ich blieb oben, sah ihn auf den Strahl zu pendeln, dort abprallen und wiederum baden gehen.
Frank versuchte sich darin, unten durchzutauchen. Ungelenk zappelte er im Wasser herum. Mit dem Kopf voran wollte er nicht los, da wir die Beschaffenheit des Felsens nicht erkennen konnten. Wie eine Krabbe ruderte er unter dem Fall durch, stieß einen erstaunten Grunzlaut aus und wurde runtergespült, der Schwall drückte seinen Kopf nach hinten ins Wasser. „Da ist `ne Höhle!“, keuchte er. Ohne Ausrüstung hatten wir keine Chance.
Wir gaben auf, legten uns auf große Steine oder auf den Baumstamm. In der warmen Luft trockneten wir schnell. Sonne kam hier nicht herein, wir waren in einer Senke, von Hügeln und hohen Bäumen umringt.
„Ich habe mein Seilzeug im Haus“, meinte Bernd, ratlos wie es sich einsetzen ließ.
Langsam stand Frank auf. Er zeigte nach oben. „Ich geh mal da hoch. Kommt wer mit?“
Wir kamen alle mit, wateten durch den Bach, an der Schwelle war er breit und seicht und hielt das meiste Wasser im Becken. Wir zogen die Schuhe wieder an, stiegen den Hügel hoch. Dann waren wir da, über unserem Schwimmbecken, über dem Wasserfall. Man sah nicht hinter den Fall. Wir hockten uns auf einen Baumstamm und überlegten. Der Bach stellte eine Schneise im Wald dar, war gesäumt von Felsen, Gras, Moos. Erst fünf Meter weiter standen Bäume. Und ein einziger stand näher, war aber umgesägt, wir saßen darauf.
„Das Seil wetzt an den Felsen und reißt“, meinte Bernd enttäuscht.
„Der einzige nutzbare Baum ist umgesägt. Seltsam, hm?“ Lange fiel uns nichts ein.
Dann dachte Chris laut. „Wir denken mit dem Seil nur von oben nach unten. Was ist, wenn wir es von links nach rechts spannen?“
Bernd verstand: „Entlang des Vorsprungs, den ich gegangen bin!“
„Genau!“
„Und wo wollt ihr es festbinden?“
„An dem Baum hier“, führte Bernd aus und meinte den nächsten Baum hier oben, „Und an einem auf der anderen Seite der Bucht. Dann klinke ich mich mit einem zweiten Seil dort ein, um mich zu sichern, und bewege mich am Vorsprung entlang. Und kann mich wie Tarzan durch den Wasserfall schwingen!“

Wir hatten einen Plan, und das war das Wichtigste. Damit konnten wir zurück zu unseren Sachen, herumliegen, faulenzen und die Natur genießen.
„So stelle ich mir das Paradies vor“ schwärmte Bernd. „Was will man da noch in die Karibik?“
Chris fiel ein Grund für die Karibik ein: „Da gäb’s mal was Anderes zu trinken als das ewige Bier.“ Er rückte seine Sonnenbrille zurecht.
„Ja, ich kann’s auch schon nicht mehr sehen“ pflichtete ich ihm bei.

Eine Stunde später traten wir den Heimweg an. Das schwerste Stück lag gleich zu Beginn vor uns. Die ersten drei Meter ging es steil nach oben, ohne einen Absatz dazwischen. Frank ging mutig voran, hechtete dem ersten Ast entgegen, zog sich mühsam und schwerfällig daran nach oben. „Sorry, aber das muss jetzt sein!“ richtete er seine Worte in Richtung des Baumes. Damit überraschte er uns. Wir folgten ihm der Reihe nach. Wiederum wurde meine ganze Kraft und Konzentration gefordert. Es war viel schwieriger und Kräfte zehrender als ich dachte.
Vorbei ging es an moosigen Waldböden, am Baum-Ensemble, wo seltsamerweise die drei Äste auf ihrem alten Stamm als eigene Bäume weiter wuchsen, an großen Farnen, durch das Bett des Sturzbaches. Durchatmen konnten wir auf dem Weg durch das Birkenwäldchen.
„Jetzt könnte eigentlich der Benz wieder kommen“ schlug Bernd vor.
„Ja genau! Dann würden wir endlich mal das Gesicht von dem Typen sehen!“
„Und wir könnten ihn fragen, was hier eigentlich los ist!“, wünschte sich Frank.