Sonntag, 11. März 2012

Reisebericht Färöer, Teil 2/3

Retro-Reise-Bericht: April 1998
Per Frachtschiff auf die Färöer-Inseln

Teil 2: Das gibt es alles zu sehen

Das Straßennetz verbindet die Siedlungen und führt meist durch leeres Land. Hügel vulkanischen Ursprungs prägen das Landschaftsbild. Auf ihnen: Eine Handbreit Erde, darauf Heidekraut, Gras und Moos. Immer wieder ziehen Sturzbäche Furchen nach unten. Das Gestein ist vulkanischen Ursprungs, braun und luftig. Brocken, groß wie ein Kleinkind, hebt man mit links. Bäume sind Mangelware und zur Nutzung zu klein.
An ruhigen Buchten ist man allein, schaut aufs Meer und lauscht dem Brausen der Wellen,  manchmal auch deren Krachen gegen die Felsen.

Das Wetter ändert sich alle drei Minuten. Sprühender, feiner Regen, Nebel, Wolken, Wind, Sonne, Wolken, Regen, Nebel, Sonne. Ein Wetterbericht bringt hier nichts.

Besiedlung auf den Färöern geht folgendermaßen: Überall wo es flach ist, kann man Häuser bauen. Mit Ausnahme eines kleinen Ortes sind alle am Meer. Am Fuße der Berge ist etwas Flachland, dort stehen entweder rote Holzhäuser (wie in Norwegen), oder Häuschen aus schwarzem Holz mit Grasdach (wie in Island). Davor hängt Stockfisch zum Trocknen. Manchmal sieht man Hunde, Hühner oder sogar ein paar Kinder draußen spielen. Erwachsene trifft man kaum. Sie sind entweder auf See (zum fischen), oder im Haus (und schlafen).
Das letzte Gebäude vor der See ist eine Kirche, ein Holzhaus mit Türmchen obendrauf. An deren Farbe kann man die Orte auseinanderhalten.
In den wenigen Städten, also Siedlungen ab etwa 1000 Einwohnern, gibt es Geschäfte. Die Auswahl ist nicht groß, Tee und Kekse aus England, Käse und Gemüse aus Dänemark, Bier aus einheimischer Produktion. Es geht gemächlich zu.



in Tórshavn




Tórshavn ist Hauptstadt, mit 12.000 Einwohnern die Metropole und Mittelpunkt des kulturellen Lebens. Hier gibt es ein halbes Dutzend Restaurants, eine Disko und eine Kneipe, das Café Natur. Innen schick aus Holz, mit Scharz-Weiß-Photographien an der Wand und moderner Musik. Getränke und Gebäck sind sehr gut, wie fast überall in Europa, die Preise darüber (etwa 4 EUR für Kaffee, 6 EUR für Bier).
Beim Stadtbummel entdeckt man große Anwesen, mit einem Portal aus zwei riesigen Walroßzähnen, enge Gassen, Sparkassen und Reisebüros.
Als die Holzhäuser größer und sauberer wurden, auf der Halbinsel Tinganes, lasen wir an den Klingelschildern Namen wie Gesundheits- oder Innenministerium. Wir waren also im Regierungsviertel, nirgends Sicherheitskräfte, wir könnten klingeln und den Ministern an den Kragen gehen.
Wir verhielten uns ruhig und unauffällig, nicht dass es noch hieß „Ausländer raus, und zwar alle beide“, so unser Running-Gag.
Ein paar Straßen weiter kamen wir an der Polizei vorbei. Öffnungszeiten: Täglich 7-23 Uhr. Wer einbrechen will, weiß seine Zeiten. Das Folgeproblem: Man muss dann die Inseln verlassen. Das ist ein ganz anderes Problem.

Der Flughafen hat mit der Hauptstadt nichts zu tun, liegt auf einer anderen Insel. Für eine Startbahn braucht man etwa 3 km flaches Gelände. Solches findet sich auf der Insel Vágar, westlich von Vestmanna. Wir unternahmen einen Ausflug zu Fuß, per Pendelfähre hinüber, eine Stunde querfeldein. Ganze drei mal hörten wir Düsenlärm, immer näher kommend, bis urplötzlich ein Flugzeug zwischen den Hügeln auftauchte.
Das Flughafengebäude besteht aus einer großen hölzernen Halle: Links Eingang, rechts raus zum Rollfeld. Dazwischen: Kurze Warteschlangen, wenig Personal, Souvenirläden mit Wollpullis und eine Imbissbude. Nichts für Sicherheitsfanatiker.
Zurück nahmen wir die billigere der beiden Busverbindungen: Bis zum Fährhafen und zu Fuß auf die Fähre nach Vestmanna. Bei der teureren bleibt man im Bus sitzen, fährt dann gleich weiter nach Torshavn. Nachtrag: Inzwischen gibt es einen Tunnel zwischen den Inseln, der Fährbetrieb wurde eingestellt.








Es hatte geschneit!
Wir fuhren über die Hauptinsel Streymoy. Ein einsamer Hof stand im Schnee, ohne erkennbare Zufahrt. Wo es gefällt, hält man für Fotos. Aus einem Abgrund stieg Dunst auf, braungrüne Hügel, mit Schnee überzogen, zogen sich die Küste entlang. Motive allerorten!
Schnee bleibt hier nicht lange liegen, und es gab auch warme Tage. Zeit zum wandern und die Tierwelt entdecken. Der Weg zu einem Vogelfelsen führt über Weideland. Schafe folgten uns und wurden mehr. Wenn man nur entschlossen genug wirkt, wird man als Anführer wahrgenommen. Und so folgten uns bald 20 Schafe, teils mit glatter Wolle („Heidschnucken“), teils zottelig, verwaschen und mit Hörnern (von uns „Wikingerschafe“ genannt).

"Wenn man nur entschlossen genug auftritt, folgen einem die Schafe"

So sieht der Himmel aus, für Ornithologen





Am Geschrei war klar, dass die Steilklippe voll von Vögeln war. Jeder Vorsprung wird genutzt - auf einer Steilwand sind Vögel natürlich unter sich. Das Flattern und Piepen kannte kein Ende, für jeden Vogelbeobachter ist hier der Himmel. Doch ohne Fernglas und Grundkenntnisse wiederholte sich für uns bald alles. Also marschierten wir unerschrocken zurück, mit unserer Schafherde im Schlepptau.
Zur Nachbarinsel Eysturoy spannt sich eine große Brücke, Tankstellen gibt es genug. Zur Insel Borðoy ging es mit der Pendelfähre, Überfahrt 15 Minuten. Klaksvik, mit 5000 Einwohnern zweitgrößte Stadt, ist Zentrum der Fischerei, entsprechend sind die Geschäfte ausgelegt. Cafés und Gaststätten fanden wir nicht, immerhin gab es eine Pommes-Bude.
Nachtrag: Seit 2006 gibt es auch hierher einen Tunnel.




"Das letzte Haus vor der See ist meist eine Kirche"



Zwei Stunden später wäre Kaffee gut. Wir spazierten durch einen Ort, in dem der Prospekt uns ein Café versprach. Wir standen vor dem Haus und verglichen es mit dem Foto. Die Straße davor, Berge und Bucht dahinter, die Terrasse - das war es. Doch wo waren die Tische, Leute, wo war das Schild? Wo war hier überhaupt jemand? Das Haus war dunkel und wirkte leer. Einfach reingehen? Nein, lieber weiterfahren. So sah es hier also aus, wenn nicht Saison ist.

Radiohören ist hier, wie Fernsehschauen auch, eine Frage des Timings. Da es je nur einen Sender gibt, teilen sich die Altersgruppen die Frequenz.
Nachtrag: Seit 2007 gibt es einen privaten TV-Sender.
Auf der Heimfahrt, kurz vor Vestmanna, nahmen wir eine jugendliche Anhalterin mit. Nachdem ihr das englische Wort für „geradeaus“ nicht einfiel, sagte sie es auf färingisch: „gradaus“.

In Teil 3:  ein Ausflug nach Suðuroy und wieder nach Hause
 
 

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