Samstag, 1. Juni 2013

Retro-Reisebericht China 2002

Retro-Reisebericht China 2002

Zum Abendessen unterhielten sich alle angeregt. Beim Film wurde hörbar mitgefühlt. Zur Nachtruhe wurde das Licht gedimmt, alle drehten sich irgendwie in den Sitz - nach 5 Minuten wurde es still an Bord. Alle machten mit. So einen ruhigen Flug hatte ich bis dahin noch nie erlebt (zum ersten mal überhaupt konnte ich im Flugzeug schlafen). Etwa 80% der Passagiere waren Chinesen.
Am frühen Vormittag landete der Swiss Jumbo in Beijing. Meinen hübschen Reisepass wollte keiner sehen, mein Wurstbrot (Einfuhr verboten) auch nicht. Die Polizei wollte nur den Zettel sehen, dass ich die Sicherheitsgebühr bezahlt hatte.
Olli* (*Name vom Verfasser geändert) holte uns ab, ein chinesischer Kollege kam ebenfalls mit (holte Geschäftsbesuch ab) und schüttelte meine Hand. Durften wir Hände schütteln, oder war das schon zu zutraulich? Keine Ahnung.

Nein, das Taxameter wolle er nicht einschalten. Olli kannte die Tricks. „Dann steigen wir aus.“ Egal. „Wir steigen aus.“ Okay, da habt ihr die Koffer wieder.
Das nächste Taxi hatte uns beobachtet, fuhr uns per Taxameter in die Stadt. Gerade am Flughafen, wenn die „Frischlinge“ kommen, wollen die Taxifahrer Fantasiepreise verlangen.

Olli machte 6 Monate Praktikum bei einem deutschen Elektronikkonzern und lud mich ein. Sonja kam mit, auf Dezember 2002 hatten wir die Buchungen durch (= neue Ausweise, Visum, Flug, Ausflugspakete, Urlaub buchen, alles in 2-3 Monaten).

Rein in die Stadt - rein in den Smog

Stangengerade führt der Zubringer nach Peking / Beijing rein. Über Beijing hängt entweder Smog, oder viel Smog, bei Temperaturen um -10°C (nachts -15°C) im Dezember. Links und rechts stehen Hochhäuser, dahinter mehr und noch mehr. Jede deutsche Trabantenstadt ist ein Witz zu diesem riesigen Feld. Für uns ein Schock, doch Chinesen lieben sie.
Die Einstellung zu Hochhäusern hängt natürlich davon ab, woher man kommt. Wir kennen ihre Viertel bereits als soziale Brennpunkte, träumen vom schnuckligen Häuschen im Grünen.
Chinesen „im Grünen“ haben Häuschen ohne Küche und Bad etc. Für sie steht ein Hochhaus für Fortschritt: fließendes Wasser, Küche, Zentralheizung, Strom - ein kleines Paradies also. 

wenig Smog

viel Smog

Ab der 3. Ringstraße kommen Plattenbauten der 1960er Jahre zum Stadtbild. Die Balkone sind vollgestopft mit Inventar (z.B. Vogelkäfig), auf den Dächern stehen riesige Reklametafeln.
Durch Peking zogen sich damals 3 Ringstraßen, die 4. außen herum, der 5. Ring wurde damals gebaut (u.a. für Olympia)
Der Verkehr wird mehr, viele S-Klasse-Mercedes sind unterwegs, und Spuren sind nur hübsches Muster auf dem Asphalt. Auf 3 Spuren sind 4-5 Reihen unterwegs, Spurwechsel geht spontan und ohne blinkern, das Wort „Sicherheitsabstand“ fehlt bestimmt im Wortschatz.

Das „Wohnheim“ ist ein luxuriöser Tower, mit Rezeption, Fahrstuhl, ca. 15 Stockwerken, alles nagelneu. 2 Studenten teilen sich ein riesiges Wohnzimmer, geheiztes Bad, eine Küche (die nie genutzt wurde).
Unten stehen uniformierte Wachmänner bereit. Einer öffnet die Eingangstür, die anderen notieten die Kennzeichen aller Fahrzeuge, die den Hof befahren.

Im Fernsehen läuft u.a. CNN und japan. Fernsehen - solange sie nicht kritisch berichten. Dann blieb das Bild nämlich schwarz - Gruß von der Zensurbehörde!

Rotznasen

Man erwartet ja kunstsinnige Menschen, die diplomatisch fernöstliche Weisheiten schwurbeln - doch dann das: Das Erste das einem auffällt, sind Chinesen, die sich ein Nasenloch zuhalten, und den Inhalt des anderen ausblasen, einfach auf den Gehsteig. Radfahrer rotzen so vom Fahrrad. Aha.

Essen gehen: zum Chinesen natürlich!

Durch Vorhänge aus durchsichtigen Gummistreifen (wie bei uns z.B. ins Getränkelager) betreten wir das Restaurant. Dort steht ein Aquarium mit Forellen. Man sucht eine aus und bekommt sie 10 Minuten später frisch zubereitet, wenn man mag.
Wir sind im Botschaftsviertel, die Restaurants sind dort alle zweisprachig (also englisch).

Essen geht so: Der Tisch bestellt. Zu dritt kann man also locker 5 Sachen bestellen. Beispielsweise: Hühnchen mit Soße, Brokkoli, gebratene Nudeln, Fischbällchen, buntes Gemüse. Das alles kommt in die Mitte des Tischs (meist auf einen Drehteller), und jeder pickt sich von allem.
Dazu kommt eine Schale Reis für jeden. Diesen teilt man nicht (vergleichbar mit Brot bei uns).
Die meisten Restaurants sind kahl, mit nackten Wänden und Neonröhren an der Decke. Bezahlen tut natürlich auch „der Tisch“, also einer für alle. Niemals einzeln!
(Beim Blick auf die Rechnung wurde auch klar, warum die Wohnheimküche nie benutzt wird).
Komplette Gerichte mit Beilage, wie wir das kennen, sind dort unüblich - und eine Erfindung der China-Restaurants in Europa - wie auch Löwen und Buddhas, exotische Inneneinrichtung und Endlosmusik vom Band.

Ein kurzer Bummel durch einen Supermarkt bringt uns den Geschmack der Chinesen näher. Besonderheit: Pocket-Snacks, einzeln verpackt wie Bonbons, in den Geschmacksrichtungen Fisch, Schwein, oder einfach Stücke getrockneten Rindfleischs.

Nachmittags um 3 wandert die Sonne langsam hinter die Dunstglocke, die Dämmerung setzt ein. Wir können ahnen was wir atmen. Hier werden PCs, Elektronik und Konsumartikel produziert.  Ab 4 kommt die Sonne nicht mehr durch den Dunst, aber erst ab 5 wird es finster. Abends putzen wir Nase, lassen schwarze Partikel im Taschentuch.

Sightseeing - das Pflichtprogramm

In sehr gutem deutsch(!) holt uns eine Touristenführerin mit Chaffeur ab. Der uniformierte Wachmann öffnet die Tür, wir bedanken uns [chje chje], was ihn freue, und starten einen vorgebuchten Tagesausflug zur Großen Mauer bei Badaling, 60 km nördlich der Stadt, auf einer nagelneuen Autobahn. Die ganze Kleinstadt ist auf Tourismus eingestellt, auf der Mauer verkaufen Leute Souvenirs. Die Mauer folgt den Hügeln, es geht steil hoch. Alle Naselang stehen Türme mit Zinnendach und Wachstube. Obwohl Türme und Mauer immer gleich aussehen, besticht die Mauer durch ihre Länge - von der man nur einen kleinen Teil besichtigen kann.





Nach einem Mittagessen fahren wir zu den Ming-Gräbern in der Nähe. Etwas verstreut liegen Kaiser der Ming-Dynastie begraben, mit jeweils eigenem Monument. Der Weg dorthin führt über die „Seelenmeile“: Links und rechts stehen Steinfiguren von Tieren, Fabelwesen und Beamten, die dem Kaiser folgen. Bei fahlem Sonnenlicht und wenig Besuchern war es für mich eine der schönsten Stätten. 


Die "Seelenmeile", bei den Ming-Gräbern

Die zweite Führung geht zur Verbotenen Stadt und dem Himmelstempel.
Der Tianmen-Platz („Platz des Himmlischen Friedens“) ist verkehrsarm und vernebelt. Das Mao-Mausoleum ganz hinten sehen wir nicht vor Nebel und Dunst. Der Platz ist zwar riesig, aber die Sicht lag am Smog. Mit einem riesigen Mao-Bild am Eingang beginnt hier die Verbotene Stadt. Ab 1420 residierten hier die Kaiser, für das gemeine Volk war der Zutritt bei Todesstrafe verboten. Heute kostet der Zutritt, und zwar für jeden „Hof“ einzeln. Durch unser Paket sparten wir ca. 5x zahlen. Jeder „Hof“ endet mit einem Palast (Palast der Himmlischen Harmonie, der Großen Harmonie, der Himmlischen Klarheit u.ä.), in denen jeweils 1 Handlung vorgenommen wurde (wenn ich das richtig verstanden hatte), wie Nachrichten von Boten anhören, Gesetze verkünden, etc. Die restlichen Gebäude beherbergten Wohnräume und dergleichen. Vorherrschende Farbe ist rot, Balken sind bunt und aufwendig mit Mustern bemalt. Außerdem sind die Gebäude viereckig, da sie „die Erde“ symbolisieren. 

Verbotene Stadt (Halle der Großen Harmonie)

Am „Himmelstempel“ (Tiantan) hingegen, im Süden der Stadt, sind die Gebäude rund - sie symbolisieren den Himmel bzw. die Götterwelt. Hier beteten die Kaiser für eine gute Ernte, im Rahmen einer Prozession.
Chinesen lassen Drachen steigen, die selbst gebastelt aussehen. Unsere Führerin erzählt sehr schön und deutlich, wirkt jedoch extrem gelangweilt (vielleicht springt zu wenig für sie ab?). 

Himmelstempel


Abends in einer Markthalle: Durch transparente Gummi-Vorhänge rein, schlendern, schauen. Doch sobald man irgendwo hinschaut, wird man angesprochen. „Willste kaufen? Welche Größe hast du? Welche Farbe gefällt dir?“ Auf je ca. 3qm bot ein Händler Hosen an, der nächste Hemden, der nächste Krawatten. Alles „Markenware“, bzw. mit dem entsprechenden Logo. Mittlerweile kannten wir die Preise. Doch an diesem Abend sind zu viele Amerikaner dort. Ihnen gefallen die Waren, und die Preise.
Die Deutschen die wir trafen, hatten den ethischen Vorsatz, nur landesübliche Preise zu zahlen. Nicht aus Geiz, sondern weil der chinesische Normalbürger sich sonst nichts mehr  leisten kann.
Und die Leute in Peking können stur sein. Du willst den Fantasiepreis nicht zahlen? Geh weit weg!
Willste Hose? - Danke, hab‘ schon eine. - Kauf mehr, kauf mehr!
Willste Hemd? - Hab‘ schon eins. - Kauf mehr!
Mir wurde es zuviel. Man konnte nichts anschauen, ohne in ein Verkaufsgespräch verwickelt zu werden. „Nur schauen“ zählt nicht.

Ich gehe raus, an die Luft. Nach kurzer Zeit kommt eine Frau auf mich zu. „Massaaaasch?“ Nein danke, keine Massage, oder was immer sie damit meint. Also wieder rein, ins Gewühle, die Amerikaner kauften fleißig.
Wen diese Art an den Orient erinnert: die Seidenstraße führte durch Zentralasien nach China. Kein Wunder, dass sich viele Sitten (wie auch das Händeschütteln) darüber verbreiten konnten.

Sightseeing - der Freistil

Die restlichen Tage sehen wir uns auf eigene Faust um. Mit dem Taxi 45 Min. lang (7,50 EUR) zum Sommerpalast, Eintritt zahlen, bummeln, schöne Fotos machen.



im Garten des Sommerpalasts

Oder: in den Zoo, der ein neues Aquarium hatte, wo man in Röhren unter den Becken durchgeht und ähnliches (bei uns kamen diese Aqua-Parks erst später). Mitten im Gebäude sollten wir Lose ziehen. Es gab ein großes Frohlocken. Sonja gewinnt ein Poster, ich darf ein Rollbild günstiger kaufen. Alle stimmen in den Trubel ein („Große Harmonie“). Sollte ich jetzt dankend ablehnen? Nein, natürlich zahle ich umgerechnet 12,50€ für ein 2,50m langes Rollbild mit Landschaftsmalerei (vorgestempelt und nachkoloriert). So kann man‘s auch machen. 
Im Zoo

im Zoo (kein Chinese verstand, warum wir das knipsten)

Kaffee gibt es in amerik. Coffee-Shops, wo sich „Langnasen“ und junge Chinesen tummeln, die Kaffee „hip“ finden.

Traditionell trinkt man ja Grüntee: lose Blätter in der Kanne, die bis zu 10-20x aufgebrüht werden. In der Zeit der Reitervölker gehörte das zu jedem Lager (=Wasseraufbereitung früher). Und die hochwertigsten Tees erkennt man daran, dass die Blätter senkrecht im Wasser stehen, erfuhr ich (hatte es aber nicht selbst gesehen).

Eine „Altstadt“ zum schlendern gibt es nicht. „Kultur“ ist so etwas wie eine „Insel“ in der modernen Stadt, mit Mauer rundherum und Eintritt zahlen. Alte Wohnhäuser stehen dem Fortschritt im Weg.

An einem besonderen Abend (mein Geburtstag) gibt es Peking-Ente (oder ähnlich). Und hier kommt der
KULTURSCHOCK

Das Taxi fährt flott, bremst und bleibt stehen. 2 Männer in Mänteln im „Armee-Schnitt“ öffnen die Türen, einer ruft durchs Megaphon. Ja: auf 1-2 m Distanz zu uns! Es klingt wie schimpfen, doch das liegt an der Sprache. Irgendwas schien falsch. Ratlos schauen wir uns an. Selbst Ollis Freundin, Chinesin, sagt nichts. Wir dachten, wir wären festgenommen. Oder der Taxifahrer. Ich schaue zu ihm, er lächelt und sagt „ja ja“. Was tun? Keine Ahnung.


Ollis Freundin meint nur, dass wir bezahlen und aussteigen sollten. Dann gehen wir über den Vorplatz, ins Restaurant, während sie uns durchs Megaphon Sachen nachrufen.

Im Restaurant bekommen wir Schürzen auf den Schoß und ein Menü serviert, dessen Zentrum eine Platte mit Entenscheiben ist.
Was wir nicht probieren: Tausendjährige Eier. Sie bleiben liegen, bis das Eiweiß schön schwarz geworden ist. (Keine Langnase dort hatte sie probiert)

Danach stehen wir vorm Restaurant, die beiden Typen winten uns ein Taxi heran, es dauert eine Weile bis ein freies vorbeikommt. Ich sehe sie mir an. Die Mäntel sind von der Armee, haben aber keine Abzeichen. Mit dem Megaphon rufen sie vorbeifahrenden Autos zu (nicht mehr uns).
Erst später begreife ich es: Sie machten Reklame, riefen den Autos zu: „Heute besonders frisch...Kommen Sie!“ Zu uns sagten sie: „Hier sind Sie richtig! Probieren Sie doch so-und-so...!“.
Auf dem Weg zur Tür: „Die Tür ist links, gleich seid ihr dort. Lasst euch schmecken!“. Und alles durchs Megaphon. So oder so ähnlich.
Und die Mäntel hatten sie Soldaten abgekauft (die sie dann als vermisst meldeten), weil sie schön warm hielten.

Shanghai - bei den „Fischköpfen“

Fischköppe?
 

Die Zugtickets ließen wir uns besorgen. Zugfahrkarten kaufen ist Chinesisch für Fortgeschrittene - man muss genau sagen können was man will, Fragen verstehen können, etc. Nix englisch.

Sicherheitskontrolle: Schlange stehen, bzw. sich schieben lassen, Tasche aufs Förderband, zum durchleuchten, durch die Tür geschoben werden, dahinter seine Tasche aufpicken.
Der Liegewagen ist bequem. Es gibt Fernseher mit Kopfhörer. In jedem Abteil eine Kanne heißen Wassers (Chinesen lieben Tütensuppe), Klimaanlage. Die chin. Familie aus unserem Abteil steigt schon nach 3h aus.

Züge und Taxis in China sind eine 3-Klassen-Gesellschaft. Ausländer dürfen überhaupt nur 1. und 2. Klasse fahren. Damit präsentiert sich China der Welt. Ähnliches gilt für Hotels. Nur moderne Häuser bekommen eine Ausländer-Konzession.

Am Morgen treffen wir in Shanghai ein, einer Sonderwirtschaftszone, an der Küste, 1000 km südlich von Peking. Der Dauerfrost ist weg, es hat etwa +10-15°C (plus!).
Taxifahrer haben alle Uniform und weiße Handschuhe an. Die Leute sind dunkler, beim feilschen nicht so stur, überhaupt zugänglicher als viele Pekinger.
Radfahrer haben eigene Spuren und Ampeln, Fußgänger eigene Brücken (während sie in Peking eher Freiwild waren). Die Stadt besteht nur noch aus Hochhäusern. Die Ringstraße ist doppelstöckig: Auf dem Obergeschoss kommt man schnell voran (mit wenigen Ausfahrten), unten tastet man sich an sein Ziel.
(zum Vergleich: in München hätte der Mittlere Ring nach dieser Logik ein Obergeschoss mit 3-4 Auf- und Abfahrten).

Das Zimmer im Hotel (70 EUR) hat eine Musikanlage am Bett, Fernseher, Sofa, Arbeitstisch, Wasserkocher mit Grün- und Schwarztee (letzterer wird tatsächlich aus Indien importiert), im Bad Bademäntel und Toilette-Artikel - also voller Luxus.
Das Telefon klingelt. Rezeption: wünschen Sie Weckdienst? Nein danke, nicht notwendig.
Ich glotze TV: der gute C-Pop in einer Jugendsendung. Mädchen singt zu zuckersüßer Musik, alle sind glücklich und zünden Sternwerfer an. Wir richten uns zum Abendessen, bevor die Füße von der Musik einschlafen.
Das Telefon klingelt. Rezeption: wünschen Sie Drink auf Zimmer? Nein danke, nicht notwendig.
Das „Familienrestaurant“ im 1. Stock ist übervoll mit Einheimischen, also weichen wir auf den ruhigen „Touristenflügel“ aus. Es gibt Rindergulasch, mit Soße und Reis, und nur einen Löffel als Besteck. Ah ja.
Zum Frühstück bekommen wir ungefragt Toast, Wurst und Käse, Kaffee. Nebenan schlürfen Chinesen Reissuppe.

Suzhou
Herr Li bringt uns zum Bahnhof, setzt uns in den Zug. Wir fahren nach der Uhrzeit, 40 Minuten sind um, das muss es sein. Schriftzeichen von Ticket und Bahnhof vergleichen - sah gut aus.
Ja, wir sind in Suzhou, letzter Tagesausflug, die Stadt der Gärten. Eine Kleinstadt, gerade mal 1 Mill. Einwohner (Peking: 10 Mill., Shanghai: 12 Mill.). Und auch hier: gesichtslose Neubauten, die Gärten: mit Mauer außenherum und Eintritt zahlen. Wir sehen 3 Gärten und bekommen eine Führung. 


Also: ein Garten ist die Welt in Kleinformat. Felsen symbolisieren Berge und stehen in etwa für Kraft. Wasser steht eher für Gefühl. (Jede Landschaftsmalerei spielt mit diesen 2 Elementen). Brücken führen übers Wasser - man verlässt das eine Ufer, lässt etwas zurück. Die Brücke knickt ab, man reflektiert über die neuen Möglichkeiten, ehe man ans andere Ufer kommt.
Wege führen durch runde Tore, da der Kreis für Vollkommenheit steht (wie auch der Vollmond). Auf Terrassen vor Häuschen lässt sich der Mond besonders schön beobachten. Zum musizieren gibt es eine andere Terrasse. Es steckt ganz viel Symbolik in einer Gartenanlage, die sich einer Langnase nicht gleich erschließt. 






Durch Suzhou fließt auch der „Kaiserkanal“, auf dem wir eine Bootsfahrt bekommen. Er verbindet den Süden mit dem Norden, war früher extrem wichtig. Im Norden wird nämlich -bis heute- Weizen angebaut, Grundstoff für Nudeln. Reis wächst im Süden. Beides gehört zur chin. Küche - den Süden kann es also nicht ohne den Norden geben. 



Wir können hübsche Fotos machen, von Häusern, deren Terrasse ans Wasser reicht. Was man nicht sieht: den Häusern fehlen Küche und Bad. Das geht dann so: gebadet wird im öffentlichen Bad, mit sauberwaschen, im Wasser stehen, Ruhe genießen.
Kochen tut ein Koch, z.B. auf 5 alten Tonnen, in denen Kohlebriketts glühen. Auf jeder Tonne steht 1 Wok, mit 1 Gericht. Dort isst die ganze Nachbarschaft „Gericht des Tages“. In Gemeinschaft zu sein, und dabei zu essen, gefällt Chinesen. 





Letzter Punkt ist eine Seidenspinnerei. In lauen Trögen kochen die eingespinnten Raupen vor sich hin, Arbeiterinnen lösen den Faden, hängen ihn an die Spindel. Dann geht sie los - wickelet die Fäden auf, und die Raupen aus.
Dass uns im Shop nicht nach Kaufrausch zumute ist, kann unser Reiseführer nicht ganz verstehen. Tierschutz ist unbekannt, Seide ein toller Stoff - und Touristen haben das Geld dafür, sonst kämen sie ja nicht.

Und hier mussten wir das Wertesystem verstehen:
Wer Geld hat für gute Klamotten, läuft in ihnen herum - sonst wird er verachtet.
Wer Geld hat für eine Reise, reist herum und zeigt Fotos. Reicht es für ein Auto, kommt ein Auto her (auch wenn man nur im Stau steht).

Das westliche Prinzip: „Ich fahre in dieses Land, weil es mich interessiert - spare dafür lieber an anderen Sachen“ verstehen sie nicht.

Aber egal, wir nehmen den Zug nach Shanghai. Dort gibt es sogar noch eine „Altstadt“, aus den 1930ern. Sie ist eher Kulisse zum Luxus-Shopping, denn es gibt irgendwie nur Juweliere (wo früher Opiumhöhlen waren). Nebenan stehen die Wolkenkratzer, mit der „Oriental Pearl“ das höchste Gebäude Asiens, und überhaupt jede Menge Reklameschilder. 





Ach ja: beim bezahlen, in einem kleinen Laden. Ich zähle das Geld ab. Einer alten Frau hinter mir geht das nicht schnell genug, sie nimmt mir die Scheine aus der Hand und blättert sie für mich hin.

Essen:
- 1x mittags in etwas wie einer Kantine. Es gibt 1 Tablett, mit 3 Sachen zur Wahl. Bei mir: 1 kleiner Fisch, der nur aus Haut und Gräten besteht, Reis, und „gelber Glibber“ (Seestern? Paprika? Keine Ahnung). Preis: 0,60 EUR
-1x im Familienrestaurant. Nix verstehen. Bitte das gleiche wie die Dame da drüben. Wer? Was? Ich verstehe nichts und habe keine Ahnung, fühle mich hilflos. Sonja probiert es noch eine Weile. Schließlich bekommen wir Weizennudeln mit brauner Soße und Champignons. Und die Leute hatten Gesprächsstoff.
-vor der Abfahrt, bei McD: wir hocken im Keller, am Rand, wollen nur noch zugfahren. Doch verstecken ist nicht so einfach, wenn man so blond und blass ist. Immer wieder kichern Leute zu uns herüber, kommen Kinder zum schauen. Echte Langnasen! Wahnsinn, schaut mal! Habt ihr die schon gesehen?

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Die restliche Zeit in Beijing nutzen wir für Shopping. Bekannte CDs und Filme gibt es billig, keine Ahnung ob lizenziert oder Piratenware, das interessiert dort keinen. Angeblich werden auch Filme verkauft, die im Kino mitgefilmt wurden (Qualität entsprechend).

Das Bier „Tsingtao“ ist übrigens nicht schlecht. Die Deutschen hatten es in ihrer kleinen Kolonie Quingdao gebraut, die Chinesen unter diesem verballhornten Namen weitergeführt.

Im Gasthaus treten 2 Chinesen zum Kampftrinken an, gegen 2 weiße Studenten. Chinesen trinken gerne einen, lassen sich von ihrer Physiologie nicht bremsen (sie bauen Alkohol schlechter ab als Weiße).

Allgegenwärtig ist auch das Selbstbewusstsein:
-In 5 Jahren sind wir Nr. 1 in der Welt!
-Chinesische Kultur ist die beste, weil sie die älteste ist!
-Außderdem hat unsere Wissenschaft vor ca. 100 Jahren herausgefunden, dass wir (Weißen) vom Affen abstammen. Das finden sie lustig, aber man sieht es uns ja auch an. Chinesen hingegen waren von Anfang an Menschen, mit Kultur.

Der Rückflug ist ein echtes Highlight. Vormittags Abflug, raus aus dem Smog und hoch über die Mongolei. Bei strahlendem Sonnenschein streckt sich baumloses Winter-Wunderland bis zum Horizont aus.
In Sibirien sieht man auch mal Wald - und in diesem 3 Schneisen (Schiene, Straße, Pipeline). 8 Stunden lang sehe ich nur Sonne, Schnee und leeres Land. 8 von 10 Stunden: leeres Land.
Ab Moskau erkennt man Straßen, Dörfer, Felder - strukturierte Landschaft. Und dann zieht in 2 Stunden „der ganze Rest“ durch: Polen, Deutschland, Tschechien, Deutschland, Österreich, Berge, Schweiz, Touchdown.

Trotzdem freue ich mich auf „daheim“. Menschen meinen was sie sagen, man verstellt sich nicht. Ich kann wieder etwas lesen, Situationen besser einschätzen. Vor Abflug war es mir auch egal, wo in Europa wir landen - Rumänien, Portugal, Frankreich, Finnland, Polen - ich wäre daheim.

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